March 26th – Rarawa Beach

Kia ora! Ich freue mich, euch auch heute wieder mit der schönen Mardybegrüßung zu begrüßen =). Eine gute Nachricht zuerst: wir haben einen Generator! Das heißt: Strom zum Labby laden, ihr werdet mit Blogeinträgen zugespamt. Na, freut ihr euch jetzt schon? Wer keine Muse hat, kann ja in vier Wochen wieder vorbei schauen, hihi, dann ist hoffentlich die Geschichte des Lockdown beeendet und ihr lest wieder spannende Unterwegssein-Stories. Doch bis dahin werden es Gedanken zu und aus Coro20.

Unsere Schicksalgemeinschaft ist nun komplett: 15 „Gefährten“ unterschiedlichster Coloeur =). Wir haben nicht die Mission, zum Schicksalsberg zu laufen und den einen Ring zu vernichten, leider 😉 (obwohl ich wahrscheinlich spätestens in ein zwei Tagen den Megadrang haben werde, loszuwackeln – und ich vermute, dass es hier manch anderen auch noch so gehen wird).

Mittlerweile ist es schon der 27. März. Gestern abend hatte ich keinen ruhigen Kopf mehr, um euch weiter zu schreiben. Deswegen jetzt: einen Kaffee hatte ich und eure lieben Nachrichten bei Whatsapp habe ich zum Frühstück abgehört und dieser kleine Moment wird mir zum „Alltag“ in Coro20 werden. Kleine Rituale, wo ich doch jetzt schon nicht mehr weiß, welcher Wochentag heute bei uns ist.Ohweh =(.

Der gestrige Tag war aufregend: morgens konnte ich für unsere „Schicksals-Familie“ einkaufen fahren. Es gibt im nahegelegenen Houhura einen „Tante-Emma-Laden“, der die Region und nunmehr auch unseren Platz mit Essen versorgt. Für uns Self-Isolater heißt das aber, dass wir nicht in den Laden dürfen und auch nicht alle zum Laden kommen dürfen. Deswegen funktioniert einkaufen für uns jetzt so: am Vorabend überlegen wir uns, was wir brauchen und senden diese Liste via Email an Amy im Laden. Wir haben jetzt zwei kleine „Familien“ im Camp, für die jeweils eine Person in den kommenden vier Wochen den Einkauf abholen darf (leider darf die Person nicht wechseln, zumindest nach aktuellem Stand nicht; so dass immer der gleiche Hupsel fahren muss; für unsere Familie dürft ihr mal raten, wer das durch den gestrigen Einkauf automatisch geworden ist 😉 ). Also am Morgen des nächsten Tages darf ich also zum Hinterparkplatz des Ladens fahren und inmitten der Kisten und Stiegen parken. Dann warten. Wenn jemand an die Hintertür kommt, Hände desinfizieren, Handschuhe anziehen, Kreditkarte nehmen und alles noch mal desinfizieren. Dann die Kreditkarte in einen Umschlag des Ladens stecken und auf die Bestellung warten. Aber bitte mit mindestens 2 Meter Abstand zur Tür =). Wenn die Bestellung in einer Kiste kommt, warten, bis sie abgestellt wird, dann Kiste nehmen und abdampfen. Die Kreditkarte mit den Quittungen befindet sich dann im fröhlichen Stapel des Einkaufs. Ich bin froh, dass es eine Lösung gibt! Beim Einkauf gestern gab es noch einen kleinen anrührenden Moment: wir hatten zwei Packungen Mehl bestellt, aber die Nachricht bekommen, dass sie keines mehr haben. Als ich dann an der Ladenrampe stand habe ich darum „gebettelt“, dass sie aus der nächsten Mehllieferung zwei Packungen für uns bitte doch zurücklegen mögen. Die Verkäuferinnen schauten sich abwechselnd fragend, durchdringend, überlegend und angerührt an. Dann sagte Amy, sie habe für ihre Angestellten etwas zurückgelegt und davon würde sie uns zwei Päckchen abgeben; ein paar Augenblicke später stand ich dann dort mit meiner Kiste Einkauf und den zwei Pck. Mehl als der Chef des Ladens kommt, das Mehl sieht und sagt, er müsse mir eine Packung wieder abnehmen. Ich schaue ihn an mit meinem Mehl auf den Armen, er schaut mich an und sagt dann „This is too sad, I can`t take it, this is such a sad situation.“
Und er winkte ab und ging weg, murmelnd, wie traurig es wäre, mir jetzt das Mehl wegzunehmen.

Zwischenspiel: In den Augenblicken, in denen ich euch diese Zeilen schreibe, ist es 11.30 a.m. am 27. März und Kevin ist vor wenigen Minuten ins Camp zurückgekommen mit der Botschaft, dass er Haina und ihre Kollegen am Tor traf und sie ihn baten, zurück ins Camp zu gehen, es gäbe Neuigkeiten. Sie würden noch auf Richard warten und dann zu uns allen kommen. Jetzt warten wir, vor allem unsicher und ängstlich, befürchten, dass wir hier weg müssen, dass es zu doofe Neuigkeiten für uns gibt… Bis zum Frühstük diesen Tages war ich sehr optimistisch, einen Platz gefunden zu haben, „sicher“ und versorgt zu sein, nicht allein durchzumüssen… binnen weniger Worte bin ich zurückgeschleudert auf die maximale Ungewissheit, auf das nervige Warten… mein Herz rast schon wieder und mein Kopf dreht sich, weil alles so unsicher geworden ist.

Als ich gestern vom Einkauf zurück ins Camp kam, war die Polizei da mit der Absicht, das Camp zu räumen… (dieser Teil konnte am 27. März nicht beeendet werden, weil in diesem Moment die Doc-Mitarbeiter mit der Polizei kamen).

March 28th – 10.26 pm – Whangarei

Ich weiß gar nicht, wo ich so richtig anfangen soll mit erzählen, denn so vieles ist in den letzten 24 Stunden gewesen. Schon am 26. März wollte die Polizei unser Camp räumen; letztendlich haben sie es gestern getan. Die offizielle Begründung war, dass sie uns im Camp nicht gut versorgen können und es keine medizinische Hilfe im Notfall geben könnte. Als wir so im Rarawa Beach Campground standen, war ich traurig, denn es war ein schöner Platz für die vier Wochen und letztendlich hatten wir auch am 26. März Lösungen für alle Fragen gefunden: Strom, frisches Wasser, Essen, Toiletten, Duschen… deswegen hatte ich auch gedacht, dass wir dort die kommende Zeit gut aufgehoben wären. Doch das, was Neuseeland gerade auch „ausmacht“: Pläne ändern sich täglich und manchmal auch stündlich. Deswegen gab es am 27. März einen neuen Plan. Und der hieß: Konvoi nach Whangarei, dort gäbe es einen Platz mit allem Notwendigen für uns. Der Abschied von Haina und Richard war traurig, und doch bin ich auch froh, dass die beiden ein wenig durchatmen können… und doch hatte ich auch das Gefühl, dass die beiden traurig waren, dass wir „abtransportiert“ wurden. Unser Konvoi brauchte gut 4 Stunden für die 200km nach Whangarei und ich weiß gar nicht, wie ich euch das Gefühl beschreiben kann, als wir am „Zielort“ ankamen: ich hab gedacht, dass ich ausrasten muss. Die Polizei brachte uns zu einem öffentlichen Parkplatz mit einer öffentlichen Toilette, die Zeugnis von den vorherigen Nutzern ablegte (wenn ihr versteht, was ich meine) und die wir eigentlich auch nicht nutzen durften. Keine Duschen. Kein Strom. Keine Möglichkeit, an frisches Wasser zu kommen oder das portable Scheißhaus =) zu leeren. Nicht nur wir waren in diesem Moment überfahren und überfordert; auch der Polizist, der uns „ablieferte“, dessen Auftrag es war, uns dorthin zu bringen, war sehr angespannt. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, in diesem Land keinen Platz mehr zu haben. Seine Reaktion war auch fragwürdig: auf unser Fragen, wer zuständig sei, gab er die Antwort „the prime ministre“; wir fragten, was passiert, wenn wir weiterfahren: dann würde man uns ggf wieder stoppen, festsetzen und „deportieren“. Wir könnten die Botschaft anrufen. Und dann zischte er ab. In diesem Moment stellt ich fest, wie sehr wir uns schon als kleine „Familie“ verstehen: jeder versuchte nach seinen Begabungen und Möglichkeiten eine Lösung zu finden. Letztendlich verdanken wir es besonders der Beharrlichkeit von Dominic, dass wir heute morgen vom Whangarei Council auf einen neuen Platz eskortiert wurden. Zwar stehen wir nun auch wieder auf einem Parkplatz, haben aber nicht mehr Straßen vor der Nase sondern ein wenig Grün, denn wir stehen neben einer Trainingsanlage des Soccerteams und im besten Fall können wir auch in den kommenden vier Wochen deren Duschen, Toiletten und Aufenthaltsräume nutzen. Das wäre der Hammer! Derzeit mal wieder Warten, denn in eineinhalb Stunden will jemand kommen und uns alles Weitere erklären.

Es gibt zum Glück noch eine kleine gute Neuigkeit: ich kann meinen Campervan fünf Tage länger haben als bisher gedacht, d.h. bis zum sechsten April und dann muss neu geschaut werden, denn es kann ja auch sein, dass sich die Situation bis dahin wieder geändert hat. Und zum Glück muss ich für die Verlängerung auch nix zahlen! Yeah!

Viele von euch denken an mich in dieser Situation, habt Dank für all eure Nachrichten, Bilder, Lieder und Sprüche. In den kommenden Tagen will ich euch nach und nach mit Ruhe darauf antworten. Noch fühle ich mich gehetzt, noch fühle ich mich „in der Schwebe“, noch habe ich die volle Anspannung in mir. Ich bin müde, soo müde von all den Unsicherheiten, dem unfreiwilligen und nicht selbst bestimmtem „Unterwegs“ sein. Ich kann nur ahnen, wie es Menschen geht, die nicht wissen, was in den kommenden Stunden, die kommende Nacht oder die nächste Woche kommen wird; Menschen ohne Obdach, Menschen ohne Schutz, Menschen ohne Zuhause, Menschen ohne Sicherheit, Menschen ohne Schutz, Menschen die keinen Platz haben, an dem sie gewollt sind…. Wie muss es sein, so zu leben; wie muss es all jenen gehen….