Morgens vor meinem Badspiegel: Die Haare sitzen nicht, strubbeln in alle Richtungen. Ein neues Fältchen hat sich ins Gesicht geschlichen. Die Augenringe waren auch schon mal kleiner und der Bauch sowieso. „Guten Morgen, Selbstzweifel!“

Schleicht sich bei dir auch ab und an diese Kritik leise mit vor den Spiegel? Es wäre nicht verwunderlich, neigen Deutsche doch statistisch eher zu Pessimismus und Fehlersuche. Vielleicht begleitet dich der kritische, selbstzweifelnde Blick durch manche Tage: Wirke ich ansprechend für andere? Mache ich das Richtige bei der Arbeit? Begegne ich den Menschen freundlich? Bin ich anziehend für meinen Partner?…

Wenn ich in den Spiegel schaue und sich die Kritik leise danebenstellt, rufe ich mir ab und an Worte aus dem ersten Buch Mose in den Kopf: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Die Worte entstammen Hagars Mund, einer ägyptischen Magd. Sie war vor einem Konflikt  mit ihrer Herrin in die Wüste geflohen und dort ohne scheinbare Perspektive. Vielleicht war ihr Herz gefüllt mit Selbstzweifel und Pessimismus. Als Hagar schließlich eine Wasserquelle findet, fühlt sie sich von Gott gerettet und gesehen. Die Geschichte erzählt von Gottes klarem Blick und Anerkennung für Hagar, seinem Zuspruch. Gott sieht Hagar mit allem, was zu ihr gehört. Gott sieht mit liebenden Augen ohne kritische Fehlersuche – besonders in Wüstenzeiten.

Diese Anerkennung Gottes heißt für mich, dass Gott mich eben nicht auf den ersten Blick aburteilt, wie es die Menschen manchmal tun. Gott sieht mehr als meine Bauchfalten und Augenringe hinter den strubbeligen Haaren, Gott schaut mir ins Herz. Mit seinem liebenden Blick nimmt er mich in die Arme und flüstert mir zu: „Ich sehe dich und du bist genau richtig, so wie du bist!“

Und auch wenn es mir immer wieder schwer fällt, ermutigt mich der liebende Blick Gottes, meine Perspektive zu ändern. Wenn ich in den Spiegel schaue, dann sehe ich auch meine funkelnden Augen und ihre verschmitzte Lebenslust, meine bunte Neugier und mein offenes Herz für die Welt. Dann verzieht sich die Kritik vom Spiegel. Und es flüstert leise in mir: „Gute Nacht und auf nimmer Wiedersehen, Selbstzweifel!“