Geschichten

Manche von euch wissen schon, dass ich seit geraumer Zeit eine Weiterbildung zur Beraterin mache – nun schwinge ich in den letzten Zügen und dazu gehört es auch, eine Abschlussarbeit zu verfassen. Die Wahl lag zwischen einem großen Fallbericht aus der Arbeit oder einer thematischen Ausführung. Schnell hatte ich mich dazu entschlossen, ein Thema zu bedenken. Es sollte etwas sein, was mit der Beratungsarbeit zu tun hat und ich wollte auch, dass es etwas ist, was mich selbst bewegt. Und so landete ich bei „Geschichten“.

Geschichten sind mir so liebevolle, manchmal auch zumutende Begleiter und ich lande gedanklich immer wieder bei J. Bucay, der sagt: „Geschichten helfen Kindern einzuschlafen und Erwachsenen aufzuwachen.“ … Ich erinnere mich gern an die Wochenenden bei meinen Großeltern, in denen mir Omi verlas oder wir Märchenschallplatten hörten; ich erinnere mich an einen Urlaub in Traunstein mit meiner Familie, in der ich mir frühmorgens während noch alle schliefen mein Pferdebuch selbst vorlas, bis mir ein Milchzahn aus dem Mund fiel; ich denke an meine Studienzeit, in der ich lernte, Geschichten auseinanderzunehmen, zu deuten, anzuwenden, umzudenken, und an die vielen Seminarmorgen mit den FSJlern, in denen ich Geschichten las, um so über Themen ins Gespräch zu kommen und mir wichtige Gedanken zu platzieren. Und freilich dachte ich im Zuge dieser Abschlussarbeit auch an die Geschichten, die mich so sehr geprägt haben, dass sie zu „meinen Geschichten“ wurden… besonders die Frösche in der Milch…

Was das besondere an Geschichten ist? Nun, ich mag euch nicht mit systemischen Ausführungen quälen, doch sind es Geschichten, die die Tür zum Gefühl öffnen. So wie Bilder oder Musik oder Bewegungen. Dann, wenn unser Kopf, der ratternde Verstand, die Hamsterradgedanken und die vielen Fragen uns nicht mehr weiterbringen, dann breiten Geschichten eine andere Welt ins uns aus. Nicht, dass dadurch das Rattern weg wäre, es ist nur für einen Moment leiser, weiter weg, stiller, vielleicht sogar einen Hauch friedlicher. Und manchmal schafft ein Ausflug in die Geschichtenwelt einen Wechsel der Perspektive, der uns sonst auf Verstandesebene höchst wahrscheinlich nicht gelungen wäre.

Daheim bei mir stapeln sich inzwischen Bücher voller Geschichten und erst gestern war ein neues Buch in meinem Briefkasten. Gleich am Abend habe ich es in der Wanne „verschlungen“ und es waren so einige Geschichten, die mich selbst bewegten und mir eine neue Perspektive eröffneten…. aus dem Büchlein wollt ihr eine Geschichte? Könnt ihr gern haben… Sie heißt „erste Hilfe“.

„Ein kleiner Junge kam später nach Hause, als die Mutter erwartet hatte. Als sie nach dem Grund der Verspätung fragte, antwortete das Kind: „Ich habe Julia geholfen. Ihre Puppe ist kaputt gegangen.“ „Hast du geholfen, sie zu reparieren?“, fragte die Mutter. „Nein“, antwortete das Kind. „Ich habe ihr geholfen, zu weinen.“

Waaaaarten

Zunächst einmal: du hast super lange gewartet, bis du wieder was von mir lesen kannst. Ich habe dich ganz schön auf neue Zeilen warten lassen und du ahnst es schon nach den ersten Worten: heute geht’s für mich ums Warten. Wie passend zum Advent, oder?

Und irgendwie erahnte mein Rechner gerade beim Hochfahren auch, worüber ich mir heute so Gedanken gemacht habe. Er „empfing“ mich und meine hippeligen Finger, die unbedingt lostippen wollte, erstmal mit einem Update-Ladebalken… Kennst du? noch mal schnell was nachschauen: update. Noch mal schnell drucken: Virenscan.

Warten werden gerade auch viele in Wartezimmern, vielleicht auch in langen Schlangen vor den Apotheken, am Briefkasten auf die Betriebskostenabrechnung 2021 oder die Stromrechnung 2022, auf die Paketzusteller mit den letzten bestellten Weihnachtsgeschenken, auf das festliche Essen an den Weihnachtstagen und den lang geplanten Besuch zum Fest, auf das neue Jahr 2023 und all das, was es bringen wird… Warten kenne ich, nur kann ich „dank“ meiner unruhigen Ungeduld nicht so gut warten. Wobei sich meine Eltern da immer wieder gern andere Geschichten aus meinen Kindheitstagen erzählen… ich hätte wohl mal seeeehr lange und super geduldig in einer Gaststätte auf meine Kindernudeln mit Tomatensauce gewartet. Seid ihr euch sicher, dass ich das war? Kann ich mir heute gar nicht mehr vorstellen – ich und „Supergeduld“. Ich hab eher den Eindruck, dass ich, als Geduld verteilt wurde, hupend an der roten Ampel stand.

Es gibt eine Episode aus einer Reitfreizeit: ich war mit 25 Mädels als Ehrenamtliche in Großrückerswalde. Für eine Woche. Unterwegs sein, nachdenken, reiten, basteln, quatschen… Jeder Morgen begann mit einem kleinen Gedankenimpuls und zu diesem sollte ich Gitarre spielen. Eines Morgens war ich nicht nur mit der Klampfe dran, sondern auch mit dem Impuls. Alle waren da – nur ich nicht. Ich lag im Bett und hatte tatsächlich verschlafen. Ich höre noch die Stimme der Leiterin durchs Haus dröhnen, fühle den Schreck in meinen Knochen, sehe mich im Schlafanzug in den Gruppenraum wackeln und schlaftrunken meinen Impuls halten. … Nie wieder ist mir das seitdem in Arbeitsbezügen passiert. Um sicher zu stellen, dass ich auf jeden Fall wach war, klingelte mein Wecker bei vielen Seminaren, Fortbildungen und Freizeiten eine Stunde vor dem Tagesstart. Und so bin ich sehr oft die Wartende – denn: ich bin meistens zu früh.

Dies beschäftigte mich auch in den vergangenen Monaten – ich stellte vermehrt fest, dass ich so oft die Wartende bin und ich überlegte zusammen mit meiner Therapeutin, was das für mich bedeutet… ich stehle mir mit meinem „zu früh“ selbst Lebenszeit und mache mich selbst zur Wartenden. Nicht andere lassen mich warten, wenn sie pünktlich sind, sondern ich selbst lasse mich warten. Also übe ich: zu spät kommen. Und ich sage dir: das ist für mich echt ne Challenge. Zu einem Termin wollte ich neulich zu spät kommen – daheim war ich natürlich pünktlich startklar, dann habe ich noch ein paar Minuten in Jacke an der Tür gewartet bevor ich losgefahren bin, nach der Fahrt durch Leipzig war ich trotzdem zu früh am Treffpunkt, also habe ich im Auto vor der Tür gewartet, um zu spät zu klingeln. Rate mal, wer über sich selbst den Kopf geschüttelt hat 😉

Mein neuestes Projekt in Sachen Warten und Geduld siehst du übrigens auf dem Beitragsbild: bei einem Herbstspaziergang habe ich eine Eichel aufgehoben und sie daheim auf Erde gelegt. Seitdem wässere ich sie aller zwei Tage und siehe da: es passiert was. Langsam, geduldig, im eigenen Tempo der Frucht, und ich lerne: Temponeutralität 😉

Einer meiner liebsten Schriftsteller, Rainer Maria Rilke, schrieb 1903 „Über die Geduld“. Mit diesen Zeilen grüße ich dich und wünsche dir einen wunderlichten und zauberfriedlichen, vierten Advent!

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge, so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben.

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

Zwischen Freude, Angst und Übelkeit

Heute nur ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Mein Buch „Zwischen Freude, Angst und Übelkeit“ gibt es nun in neuem Gewand, mit neuem Bild und das Allerbeste: mit 8 Seiten mehr Text! Die neue Auflage beinhaltet einen frischen Text von 2022 und beantwortet damit auch einige Fragen nach dem „Was-geschah-eigentlich-nach-2020?“ Wer möchte, schreibe mir einfach und ich leite den Bestellwunsch weiter. Oder klickt euch auch gern selbst durch die Verlagsseite, vielleicht entdeckt ihr noch ein anderes Schmeckerchen zum Selbstlesen oder Verschenken 🙂

https://www.phonus-verlag.de/startseite/47-susann-finsterbusch-zwischen-freude-angst-und-uebelkeit-9783944950112.html

Wie findet ihr denn das neue Titelbild? 🙂 Ich wünsche euch einen sonnigen und fröhlichen Sonntag! Liebste Grüße 😉

Couch-Gespinste

Seit ein paar Tagen „hüte“ ich meine Couch – abwechselnd mein Bett. Nicht, dass das beide nötig hätten. Sie sind nicht vom Weglaufen vor der Hitze gefährdet, es klopfen keine Räuber an meiner Tür, auch ein Einliegen der Möbel ist nicht mehr vonnöten – sie sind lange angepasst und innigst geliebt. Vielleicht hüte ich auch nicht die beiden, sondern die Liegemöbel eher mich 😉 ?

Jaja, ich höre schon manche von euch beim Lesen grinsen: da hat Susann wohlverdienten Urlaub und mutiert direkt zur Couchpotatoe. Nun, da ich meinen Sommerurlaub auf jeden Fall in Leipzig verbringen wollte, wäre das eine Möglichkeit gewesen – doch weit gefehlt: die ersten Tagen haben Rumo und ich die Gegend unsicher gemacht, ich habe einige „Was-ich-schon-immer-mal-machen-wollte“-Sachen geschafft, die Sonne und das Wasser genossen, liebe Menschen getroffen, feine Gespräche geführt bis mich die fiese Was-auch-immer-Bazille K.O. geschlagen hat. Seit Samstag bin ich denn nun im Genesungsmodus und hoffe, dass ich fix wieder bei Kräften und auf den Beinen bin, um die letzte Urlaubswoche dann unabhängig meiner Liegemöbel zu genießen 🙂

Und wenn ich so rumliege, kommen leise Couch-Gespinste. Kennt ihr das? Leicht dahinsiechend habe ich gestern gedanklich alles zusammengestellt, was in meiner Wohnung mal wieder eine Grundreinigung bräuchte. Oder aussortiert werden müsste. Oder aufgeräumt. Oder besser eingeräumt ins Regal oder in den Küchenschrank. Alles feine Ideen, um dann kräftemäßig schon beim Gedanken an den Abwasch „abzukacken“.

Zum liebsten Unterhaltungsgefährten auf der Couch wurde nunmehr mein Smartphone. Thees, so heißt es, lässt mich tippend zur Außenwelt Kontakt halten, macht einen herrlichen Ton, wenn ich eine liebe Nachricht bekomme, spielt mir jedes gewünschte Hörbuch oder Youtube-Video und öffnet mir das Tor zur Online-Suchmaschine, um all die sinnvollen und überraschenden Fragen zu beantworten, die mir beim Rumliegen so in den Kopf wirbeln: wie kann man Pflaumeneis ohne Eismaschine machen? Wer spielt am Mittwoch den Supercup? Und für wen entscheidet sich Bella in der Twilight-Saga? Welches ist das Jugendwort 2022? Und welche Route würde sich für einen Bretagne-Urlaub anbieten? Was kostet ein versichertes Paket bei der Post? Brauchen Pfirsischbäume zum Befruchten einen Baumnachbarn? Welche Regeln gelten europaweit fürs wildcampen? Wie schneidet eigentlich die Netflix-Serie Sandman so ab? (Dem inneren Impuls folgend habe ich dann direkt die ganze erste Staffel durchgeschaut. Mein Fazit: ich mochte die Geschichte – war sehr unterhaltsam im kranken Rumliegen.) Wann schließt eigentlich das Transfer-Fenster der Bundesliga? Welche Symptome gibt es bei Omikron? Und wie sind eigentlich die neuen Bestimmungen – nur für den Fall, dass der Test auf „positiv“ ploppt? …

Das einzige was ich tunlichst vermieden habe: Nachrichten zu schauen. Also Weltnachrichten, politische und wirtschaftliche Sachen, außenpolitisches und innenpolitisches Gedöns. Habe gedacht, dass das alles beim Gesundwerden eher hinderlich sein könnte. Oder zu allem Überdruss noch deprimieren würde.

Und so lese ich lieber Bücher von meinem „unbedingt-mal-Lesen“-Stapel. Mein liebstes aktuell von Meike Winnemuth „Das große Los“. Für alle Sehnsüchtigen und Lebensverliebten ein unbedingtes Muss!

Vergiss es!

„Das kannst du voll vergessen! Dafür bist du viel zu alt…. zu unerfahren… zu unsportlich… zu dick… zu dünn… zu dumm… zu jung… zu weiblich… zu naiv… zu sehr Weichei… zu blauäugig… dafür bist DU ja nun so gar nicht geeignet. Mach nen Haken dran, vergiss es!“

Diese Stimmen gibt es in meinem Alltag immer mal wieder. Erst diese Woche traf ich jemanden und als wir über eine meiner neuen Ideen ins Gespräch kamen, war da dieses feine Lachen, etwas ungläubig mit einem Hauch „Willst-du-mich-auf-den-Arm-nehmen?“ und diese leise Frage „Wirklich, bist du sicher, dass du da die richtige bist, du bist doch selbst viel zu…?“.

Manchmal rutscht das den Menschen einfach raus, wenn sie etwas hören, was so unerwartet ist. Meistens sind sie selbst so überrascht, von der Idee, die ich schon wieder habe. Meistens meinen sie es nicht als Angriff, vielmehr überlege ich, was sie eigentlich so überrascht von der Idee, meinem Gedanken, meinem neuen Vorhaben. Halbmarathon laufen, Buch schreiben, Weltreise machen, Englisch lernen, was Neues und Herausforderndes tun, mir selbst neu begegnen… Und ich komme zu dem Schluss: ihre Überraschung sagt vielleicht mehr über ihre eigene Blockade aus als über meine Idee. Da gibt es diesen einen Satz, den ich vor vielen Jahren immer wieder in meinem Arbeitsteam gehört habe und der sich mir so fein in meinen Kopf gesetzt hat: „Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.“ Und ich denke an die Geschichte von dem Elefanten aus dem Zoo. Immer wieder. Davon habe ich letztes Jahr auf meinem Blog schon mal erzählt: http://ronjabanu.de/ich-kann-nicht

„Vergiss es, das kannst du eh nicht.“ Eine innere Stimme, die für mich auch einen kleinen guten Nebeneffekt hat: sie lässt mich zögern, lässt mich prüfen, lässt mich abwägen, lässt mich das Risiko ausloten. Und dann kommt eine andere Stimme dazu, die flüstert: „Das kannst du nicht wissen, so lange du es nicht probiert hast.“ Und dann traue ich mich, wage es, schau mal wo ich lande, laufe los. Voller Neugierde mit einem bisschen Spuntis, voller Freude und einem Bauchgrummeln vor Unsicherheit, denn ich weiß ja nie, was bei rum kommt.

Und ja: klar kenne ich auch die Momente, in denen ich dachte, dass ich das locker packe und auf halber Strecke feststellen durfte, dass ich für den Moment dann doch eben wirklich zu untalentiert war. Oder zu unpassend wie der Bär im Bienenstock. Doch eben kein Grund, grundsätzlich den Rüssel in den Dreck zu stecken. 😉

Habt einen feinen Sonntag und traut euch und bringt die anderen zum Staunen und vielleicht hopsen sie dann auch über ihre innere Grenze! (PS: Das Beitragsbild ist nicht aus meiner Feder – nur als kleiner Hinweis, für alle die auf so etwas achten 🙂

Schweinehund…

Ich sitze am Küchentisch. Ein Kräutertee dampft neben mir, Rumo hat sich endlich in seinem Körbchen niedergelassen und kommt ein wenig zur Ruhe. Keine Sorge: er ist nicht der Schweinehund, den ich im Beitragstitel meinte!

Nach dem wohlverdienten Arbeitsfeierabend war ich heute eine Runde im Wald laufen. Noch am Waldrand klatschte mir der Schneeregen ins Gesicht. Eingetaucht in den Wald umhüllte mich schlagartig eine tiefe Stille und ein Geruch von frischem Holz, der mich Aufatmen und Entspannen lässt. Nun ja, ich renne nicht nur zum Abschalten und Kopffreikriegen. Ich habe noch einen anderen kleinen Plan: ein Punkt auf meiner Bucket-List ist es, einen Halbmarathon zu laufen. Immer wieder habe ich deswegen einen Anlauf gewagt, bin losgerannt, ein bisschen planlos vielleicht… Doch ich hatte immer wieder das Gefühl, dass mein innerer Schweinehund und ich in entgegengesetzte Richtungen wollen. Und meistens habe ich mich von ihm breitschlagen lassen und bin „nur“ wandern gegangen oder spazieren oder in Kaffeebohnenschritten um den Wohnblock geschlichen. Doch damit ist nun Schluss! Ich meine mit dem Breitschlagenlassen, nicht mit dem Wandern 😉 Halbmarathon 2023, das ist das neue Ziel! Und damit ich mich nicht drücken kann oder breitschlagen, mache ich es hiermit offiziell… Jetzt könnt ihr mich beim Wort nehmen. Oh weh und oh yeah zeitgleich.

Seit einer Weile übe ich nun fleißig und meistens lacht der innere Schweinehund über meinen Muskelkater, aber mal schauen, wer von uns beiden als Letztes lacht 😉

Wahrscheinlich kennen das manche von euch, oder? Man selbst gegen den inneren Schweinehund? Vielleicht habt ihr Muse, mir mal davon zu erzählen oder schreiben oder einen Kommentar dazu hierzulassen? Ich würde mich freuen! Schweig, du mieser Schweinehund 😉

Menschenfreund Rumo

Rumo ist nur selten ein Hundefreund. Das hat er erst heute wieder bewiesen: ein anderer Hund kommt ihm auf der Wiese entgegen. Er ist weiß, er ist fröhlich, er ist sauber, er will spielen. Rumo wedelt ihm entgegen. Das andere „Frauchen“ und ich freuen uns, dass die Begegnung so charmant beginnt. Rumo schnuffelt ein bisschen, der andere hüpft aufgeregt um Rumo rum und dann zack: Angriff. Mein Hund tackelt den anderen um, drückt ihn kläffend in den Matsch und macht unverkennbar klar, dass das Spiel vorbei ist. Ich packe Rumo am Kragen, zerre ihn von einem super vollbesudelten Vierbeiner, der trotz Rumos Machtgehabe immer noch Anstalten macht, eine Runde spielen zu wollen. Die andere Hundebesitzerin und ich atmen fast zeitgleich erleichtert auf, nicken uns zu und gehen weiter – jede in eine andere Richtung. Rumo ist definitiv nur zu ausgewählten Hunden ein Hundefreund. Und ich habe auch nach mehr als zehn Jahren mit ihm nicht kapiert, wonach er Freund und Feind unterscheidet…

Was ich aber weiß: Rumo ist ein Menschenfreund. Auf dem Weg zurück nach Hause läuft er immer angeleint. So auch heute. An einer Stelle überquere ich immer mit ihm die Straße, heute zerrte er mich aber ein paar Schritte weiter. Er hatte eine Kiste entdeckt – riesig, voll beladen mit „zu-Verschenken-Sachen“ und neben der Kiste so ein alter Wäschekorb in Retrocharme. Als wir bei der Kiste anhalten und ich neugierig meine Nase in den Trödelsachen versenke, verschwindet Rumo hinter den Dingen und erst da bemerke ich, dass da eine Frau hockt und weint. Rumo hatte sie lange vor mir registriert, peilt auf ihre Beine zu, leckt ihr über die Jeans und setzt sich neben sie. Ganz still, ganz leise, ganz unaufgeregt, als hätte er sich auf einem rohen Ei niedergelassen. Ich schaue die Frau an, dann meinen Hund, lasse das Ende der Leine los und ihn gewähren. Dann hebt die Frau ihren Kopf, greift Rumo ins Fell, beginnt ihn zu streicheln und erst dann sieht sie mir ins Gesicht. Die Tränen fließen ihr über die Wangen, tropfen zu Boden als sie schluchzend erzählt, dass ich die Sachen gern haben könnte. Ihr Vater bräuchte sie nun nicht mehr und sie müsse allein die Wohnung leer räumen. Ich höre ihr zu, während sich Rumo an ihre Beine schmiegt, sie ihn streichelt und dabei langsam aufhört, zu schluchzen. Sie habe auch mal Hunde gehabt, einen Mischling und einen Dobermann, aber die wären beide nur knapp zehn Jahre alt geworden. Es sei immer wieder schmerzhaft für sie, wenn jemand stirbt, den sie liebt und ich weiß nichts zu sagen, weil sie so Recht hat. Also nicke ich und versuche ihr damit wortlos zu signalisieren, dass ich verstehe. Sie schweigt und gräbt weiter ihre Hände in das weiche Fell meiner Schnuffelnase, der ein Menschenfreund und Tröster ist. Nach einer kleinen Weile verabschieden wir uns, nachdem sie mich gebeten hat, den Zeitungsständer mitzunehmen. Ich tue ihr den Gefallen – er steht jetzt in meiner Küche. Und wird mich an die Begegnung mit ihr erinnern und auch daran, dass mein Hund zwar selten Takt seiner Art gegenüber hat, aber eine gute Nase und ein großes Herz für die Traurigen und Trostsuchenden.

Da brauch ich vielleicht einen langen Atem…

19.16 Uhr. Ich stelle meinen Handyalarm auf 19.26 Uhr, damit ich wenigstens zehn Minuten meinen Rüssel über das Dampfbad halte. Ich kenne mich: wenn ich das nicht mache, sind mir zwei Minuten schon wie ne Viertel Stunde und nach 5 Minuten sehne ich mich nach einer Wunderheilung, einer Eisdusche und schimpfe schwitzend auf meine verstopfte Rotznase.

Ja, vielleicht ein überstrapaziertes Thema: in pandemischen Coronazeiten einen Erkältungs-grippaler-Infekt-Blogbeitrag. Nun, wobei noch nicht sicher ist: könnte auch der erste Quarantänekollerblogbeitrag werden, wenn morgen das PCR-Testergebnis kommt. Und genau darum kreisen meine Gedanken, während die Schweißperlen langsam über meine Stirn und Wangen laufen, in das heiße Wasser ploppen und sich schon die nächste Schwitzeperle auf den Weg macht. Während ich das Gefühl habe, dass sich meine Gesichtsporen weeeeeiiiit öffnen, lausche ich dem Ticken meiner Uhr im Flur und versuche krampfhaft nicht an den möglichen Quarantänefall zu denken. Nicht nur, dass ich dann zehn Tage mir selbst ausgesetzt wäre – puh, vielleicht knacke ich meinen Netflixrekord oder schaffe es, mehr als ein Buch zu lesen. Das, was mich am Traurigsten stimmt, ist die Tatsache, dass dann mein Rübchen nicht mehr hier sein kann. Irgendjemand hat sich nämlich überlegt, dass Menschen in Quarantäne nicht mehr vor die Tür dürfen, auch nicht, wenn der Hund fast platzt. Mal abgesehen davon, dass ich es wirklich strittig finde, dass man nicht mal einen Erholungsspaziergang machen darf, wenn man krank ist… an der frischen Luft. Draußen. Da, wo man doch eigentlich gut gesund werden könnte? Und wenn ich keinen PCR-Test gemacht hätte, wäre ich mit meiner Rotznase einfach weiter durch Wald und Flur geschlendert bis sich alle Nebenhöhlen vom Schleim verabschiedet hätten. Doch verantwortungsvoll bin ich – vor allem auch den anderen, die ich anstecken könnte gegenüber – und auch ein wenig pflichtbewusst und so war ich eben heute beim Hausarzt und befinde mich nun in den imaginären Klauen eines Testlabors mit Rattenschwanz Gesundheitsamt…

Naja, manche von euch kennen mich und wissen just auch schon in diesem Moment, dass ich inzwischen Plan B bis D im Kopf habe – vor allem für das Rübchen. So bleiben die Daumen gedrückt, während sich der nächste Schweißtropfen mit einem Plitschplatsch in meine Schwitzeschüssel verabschiedet. Hoffen auf einen negativen Moment! Da brauch ich vielleicht einen langen Atem…

Blätterfazit

Zu Beginn eines jeden Jahres liegen die 365 oder 366 Seiten blanko vor mir und ich weiß nicht, was am Ende des Jahres alles drauf sein wird, ob sie glatt oder geknüllt sind, bunt, weiß oder schwarz, welche Farbe und Handschrift sie tragen, wer unverhofft reingekritzelt hat und wer mir wundervolle Momente auf meine Blätter geschrieben hat. Ich weiß nicht einmal, ob sie alle gefüllt sein werden… Das was ich am Jahresende, manchmal auch unbewusst, mache, ist, mir die Blätter noch mal zur Hand zu nehmen, sie anzuschauen, sie durchzublättern, zu stoppen, nochmal über manche zu lachen bis mir der Bauch mitkribbelt, über manche zu schmunzeln, über einige den Kopf zu schütteln und mit so manchen auch noch mal zu weinen. Ich lass die Gefühlsbandbreite kommen, mich überfluten, mich erfüllen und dann lasse ich sie wieder ziehen.

Und wie jedes Jahr stelle ich auch am Ende dieses Jahres fest, dass ich kein Fazit ziehen werde und auch kein Fazit ziehen kann. Es würde die Blätter in ihrer Gänze nicht wahrnehmen, es würde manches kleinmachen und manches ersticken, würde manchem zu viel Raum geben und mache Töne zu laut sein. Doch eines fühle ich erneut: Dankbarkeit für all das, was auf meinen Blättern steht, für all das, was ich aus meinen Blättern gemacht habe und vor allem auch für all jene, die meine Blätter mitgestaltet haben, mit Farbe bereichert, mit Vertrauen besprenkelt, mit Liebe umrahmt haben. Ich bin dankbar, am Ende dieses Jahres diese Zeilen schreiben zu können und ich bin gespannt, was das neue Blätterwerk 2022 so bereit halten mag.

So wünsche ich euch einen gesunden und fröhlichen Abschluss des alten Jahres und einen herrlichen Start ins Neue! Passt gut auf euch und eure Blätter auf 😉 !

Vorabend

Heute vor einem Jahr saß ich an genau diesem Rechner und begann mit dem dritten Anlauf meines Buches. Es war auch der Abend des 23. Dezember – heute schnarcht Rumo ebenso neben mir, statt Gin Tonic gibt es Kräutertee, „Der Hobbit“ flimmert dieses Mal statt „Die Gefährten“. Teil I und ich gestehe, ich habe den Beginn heute drei Mal geschaut, weil ich mich damit so gut an Hobbiton erinnern kann. Es ist derselbe Schreibtisch, es sind dieselben Tasten, dieselben Bilder doch eine andere Wand in einer anderen Stadt. Das Gefühl erinnert mich sehr an das vor einem Jahr: es ist die stille Traurigkeit, die rückschauende Dankbarkeit, das melancholische Glück. Diese Mischung ist es, die mich tagsüber fast lähmt und am Abend eine Energie zum Schreiben freisetzt, wie ich sie selten fühle. So sind an den vergangenen Abenden einige neue Texte entstanden, neue Zeilen auf frischen Seiten und ich bin gespannt, wohin sie mich führen.

Dass ich in diesem Jahr nach nur drei Monaten mein fertiges, gedrucktes Buch in Händen halten konnte, lässt mich auch rückblickend noch staunen und dankbar sein für alle, die mich dabei unterstützt haben. Dass es davon dann auch noch eine zweite Auflage hatte geben sollen, macht mich heute noch sprachlos. Und stolz. Doch will ich nicht, einer Jahresbilanz ähnlich, mein Jahr Revue passieren lassen, aufzählen was gelungen ist und was nicht, will nicht äußerlich Fazit ziehen obgleich ich es innerlich tue, will meine Leistung nicht abmessen, nicht vergrößern und nicht schmälern.

Will stattdessen einen Gedanken teilen mit euch.

Die letzten Tage des Dezembers sind es, die vermutlich die erwartungsbeladensten des ganzen Jahres sind. Der schönste Baum und bitte auch der geradeste, die hellste Lichterkette und der größte Nussknacker, das leckerste Essen, das beste Geschenk und der richtige Stollen. Die Weihnachtspredigt auf den Punkt so wie die Klöße: nicht zu lang und nicht zu fest. Die Mischung soll nicht nur schmecken. An vielen Tischen soll es das Highlight des Jahres sein, der Familienhöhepunkt, der Friedensgipfel. Das sind schöne Wünsche, versteht mich bitte nicht falsch! Mein Baum ist natürlich der Schönste 😉 Doch es geht nicht darum, wieviele Geschenke unter dem Baum liegen und wie groß der Braten ist und wer mehr Glühwein verträgt. Besonders in diesen Tagen, wo es leider wieder einmal darum geht, Gesundheit und Gefährdung, Gemeinschaft und Schutz abzuwägen und viele nicht in Natura mit ihren Herzmenschen unterm Baum sitzen werden, sitzen können. Das kann sich traurig, einsam und ohnmächtig anfühlen – doch dann bitte nicht vergessen: gedanklich seid ihr nicht allein. Und lasst euch überraschen. Und erwartet nicht zu viel von euch. Und auch nicht von den anderen. Weihnachten geht auch mit Nudeln und Tomatensauce 😉

Und so wünsche ich allen, denen die gemeinsam am Tisch sitzen und denen die in Quarantäne netflixen, denen die Dienst leisten und denen die gerade noch am Braten schrauben: habt ein lichterfrohes, wunderbares Weihnachtsfest und denkt aneinander und passt gut auf euch auf! Merry Christmas 😉

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