Monat: Februar 2021

Hand aufs Herz

Jetzt mal ehrlich: was ist das Geheimnis derjenigen, die Morgens aus den Federn kriechen und keine Kissenfrisur haben?!? Bei denen die Haut keine Falten schlägt, als hätte sich der Kissenabdruck täto-artig in die Poren gefressen? Was muss man Abends konsumieren, um morgens so „fresh“ auszusehen und was ist das Geheimnis gegen Augenringe? Ich stelle fest: Gesichtsmasken und Gurken helfen bei mir nicht (mehr).

Wie ich dazu komme, euch dies zu fragen, werte Leserschaft? Ähm, also Hand aufs Herz: nachdem ich euch in einem meiner letzten Beiträge einen impressiven Vergleich 2020 + 2021 erlaubt hatte, gab es nicht nur die erstaunte Feststellung einiger Neugieriger, dass sich meine Frisur verändert habe 😉 Besonders einigen Damen fiel auf, dass sich auch mein Gesicht verändert hätte… ähm, ja, stimmt, ist mir auch aufgefallen. Auch ein Schal wirkt Wunder gegen Doppelkinn, grins.

Und noch einmal Hand aufs Herz: ich stelle mich nicht gerne vor den Spiegel – erst recht nicht morgens – da fallen mir in geballter Wumme alle Falten auf einmal auf, da bekomme ich das Gefühl, dass meine Haare einen Tacken gräulicher werden, da kriege ich den heftigen Impuls, zu färben, mein Gesicht zu bügeln oder hinter die Ohren zu tackern.

Doch das, was ich zum Glück von Herzen auch kann und liebe, ist, mich selbst frech anzugrinsen und mir eine Grimasse zu ziehen. Shit happens und Veränderung eben auch! Und das, was mich heute köstlich erfreut hat, war, mich durch die Bilder der letzten Jahre zu klicken – dank Facebook ne leichte Sache, denn das Netz vergisst nie 😉 . Jetzt schmerzt mein Bauch vom Lachen – einen Einblick bekommt ihr auch, werte Leserschaft: 43 Gesichter der Frau F.

Einen fröhlichen Abend wünsche ich euch!

Ein ganzes Jahr später…

Der Abend hat sich über die Stadt gelegt, nur noch wenige Autos schleichen über die glatte und verschneite Hauptverkehrsstraße vor meinem Haus. Ab und an startet ein Rettungswagen in der Nebenstraße, doch im Großen und Ganzen ist der Leipziger Westen durch eine Schneedecke zugedeckt, ruhiger geworden, friedlicher und auch fröhlicher. Ich denke an die schönen Spaziergänge durch den Schnee in den letzten Tagen, an die fröhlich lachenden rutschenden Kinder, die unbekümmert grinsenden Erwachsenen, die Menschen scheinen erleichterter unterwegs, fast schon beschwingt als stünde der Frühling vor der Tür. Auch mich lässt der Schnee aufatmen, die Luft ist klar und eisig und damit werden auch meine Gedanken klarer, deutlicher, friedlicher und ich atme auf im Lockdownmuff.

Gleich werde ich den Feierabend einläuten, nachdem ich noch ein wenig an meinem Buch über die Reise im vergangenen Jahr gearbeitet habe. Das heutige Datum hatte mich daran erinnert, dass ich genau heute vor einem Jahr mit meinem prall gefüllten Rucksack in Berlin gestartet bin, in Moskau in Schneesturm und Eiseskälte umstieg und just um diese Zeit, in der ich gerade diese Zeilen tippe, im Flieger Richtung Hanoi saß. Ein Jahr ist es nun her, dass ich losgetigert bin und auf der einen Seite fühlt es sich an wie „Was? Schon wieder ein ganzes Jahr???“ und auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass zwischen heute und dem vergangenen 11. Februar Welten und Jahrzehnte liegen könnten.

Ich schmunzle in diesem Moment und dabei rinnt mir ein kleines feines Tränchen übers Gesicht, denn die Erinnerung trägt Freude und auch Melancholie in sich. Und wenn ich mir die Bilder anschaue, dann kann ich ein breites Grinsen nicht unterdrücken, denn immerhin meine Frisur sitzt an diesem 11. Februar besser 😉

Mit einem kleinen Auszug aus meinem Reisebuch sende ich euch grüße in die Nacht! Passt gut auf euch auf!

„Ich wäre notfalls auch mit dem ICE gefahren, doch ich war froh, dass mich mein Paps nach Berlin-Schönefeld brachte. Viel zu früh erreichten wir den Flughafen, tranken Kaffee und aßen eine Kleinigkeit. Danach gab ich mein Backpack auf, 23kg, und zum ersten Mal rutschte mir das Herz nicht nur bis in die Hose, sondern bis in die Füße. Es wurde ernst. Ich würde tatsächlich losfliegen. Gemeinsam mit meinem Paps ließ ich mir den Wind auf der Aussichtsterrasse des Flughafens um die Ohren wehen, wir machten ein, zwei Selfies und zum zweiten Mal rutschte mir das Herz bis in die Füße. Wehmut beschlich meinen Körper. Gleich würde ich allein sein, gleich würde ich allein losziehen, für mindestens sechs Monate. Irgendwann musste Paps zurückfahren und ich fühlte mich schlagartig verloren und verlassen, versuchte tief zu atmen und nicht panisch zu werden. Obwohl ich seit mehreren Monaten mehr oder weniger erfolgreiche, tapfere Nichtraucherin war, konnte ich in diesem Moment den Impuls, mich an einer Zigarette festzuhalten nicht mehr unterdrücken und kaufte mir eine Packung Kippen. Ich rauchte zwei, drei, vier, fünf Zigaretten und merkte, wie das Nikotin meinen Körper durchflutete und mich gewohnt einlullte. Ich fühlte mich nun benebelt und stark genug, den Sicherheitscheck hinter mich zu bringen und damit dem Flieger und meinem halben Jahr Alleinsein entgegenzugehen. Vielleicht roch ich am Sicherheitsschalter wie ein wandelnder Aschenbecher, vielleicht kam ich auch ein wenig zu fahrig daher, doch die Beamtin ahnte in mir eine ausgebuffte Drogendealerin, weswegen ich in Berlin-Schönefeld das erste (und auch das einzige!) Mal auf meiner ganzen Reise von oben bis unten, von vorn nach hinten, von außen nach innen und bis in das letzte Fitzelchen meiner Tasche nach suspekten Substanzen und Sprengstoff durchfilzt wurde. Natürlich fanden sie nichts außer die halb geleerte Packung Zigaretten, mein abgeschranztes Feuerzeug und die Schachtel mit den Medikamenten, welche ordnungsgemäß beschriftet, übersetzt und deren Bedarf bis zum letzten Tropfen Novaminsulfan begründet war. Als ich später am Abfluggate saß und keine Zigarette mehr zum Festhalten rauchen konnte, beschlich mich wieder ein sehr durchdringender Zweifel, ob ich das richtige tue. Ein Telefonat mit Anne beruhigte mich: Ich kann doch jederzeit zurückkommen. Und deswegen könnte ich jetzt auch fliegen. Ich ahnte noch nicht, dass ich bald darüber schmunzeln würde, denn schon in wenigen Wochen würde es für mich keine Möglichkeit mehr geben, „so einfach“ umzukehren. Am Gate flackerte die Nachricht auf, dass die WHO dem neuartigen Virus einem Namen verpasst hatte: „Covid-19, Sars-CoV-2“. Davon nahm ich nur halbherzig Notiz, so schlimm und einschneidend würde das Virus schon nicht sein. Der Lautsprecher schallte, es sei Zeit zum Boarding und ich stieg ohne Maske und mit einer Mischung aus Freude, Angst und Übelkeit in den Flieger nach Hà Nội.“ (11. Februar 2020)

„systemrelevant“

Die letzten Wochen war ich einigermaßen hin und her gerissen, wie mein nächster Blogbeitrag aussehen könnte – in allem Grübeln sind nun ein paar Tage verstrichen.

Ich habe überlegt, etwas zum Begriff „systemrelevant“ zu schreiben, denn dieses Wort hat es nunmehr schon zum Unwort meines Jahres gebracht. Da soll es nun um die Aufrechterhaltung eines Systems gehen, einen Fortbestand sichern. Da wird überlegt, was die Basis der Gesellschaft ausmacht, die Grundsäulen der Wirtschaft. Da wird auch diskutiert, welchen Wert welche Branchen haben, da wird eingeteilt und unterteilt, da wird benotet und mit Sternchen versehen, da werden Menschen auf die Auswechselbank geschickt und ein Sitzenbleiben in Kauf genommen, da wird aussortiert und umsortiert, eingekesselt und ausgesperrt. Stempel „systemrelevant“ oder nicht.

Klar bringt es mich ins Nachdenken, wer und was für mich persönlich, für „mein System“ relevant ist; macht es mich traurig, wieviele „andere Systeme“ ganz persönlich an ihre Grenzen kommen und da geht es nicht nur um Geduld, Gesundheit und Geld; frage ich mich, wie lange „das System“ bzw „unsere Systeme“ diesen Zustand noch aushalten, durchstehen. Passende, nachdenklich stimmende Worte hat Marlene Lufen gefunden: https://www.instagram.com/tv/CKtDJhIKcf5/?igshid=pm4tvc30mqlq&fbclid=IwAR3m5wAxT2zfIVaVZ5mk_3rSiDS5o831fmI_mZI1k0WgkNP1F3hmukx3afE

Mitnichten will ich mich aus dem Fenster lehnen und urteilen über das, was bisher war. Ich staune anerkennend über das, was Menschen tagtäglich in dieser Pandemie leisten, nicht nur in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Ich ziehe meinen Hut vor all den Homeschooling-Homeworking Familien. Ich bin froh, in keiner politischen Position zu hocken, denn den Job wöllte ich gerade überhaupt nicht machen. … Merke, wie ich mich manchmal sprachlos und ohnmächtig fühle ob dieser „pandemischen Lage“.

Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass der Beginn des Februar 2021 so aussehen würde, wie er nun daherkommt, hätte ich wahrscheinlich ungläubig den Kopf geschüttelt und mit meinem Gesicht schmunzelnd gerunzelt. Aktuell denke ich immer wieder an „meinen Februar 2020“, die letzten Tage vor meiner Reise, versuche für mein Buch in Worte zu kleiden, wie die Zeit für mich war. Mit einem kleinen Auszug aus meinem Buch, an welchem ich gerade gern und intensiv arbeite, beschließe ich diesen Beitrag. Passt gut auf euch und „eure Systeme“ auf!

„Anfang Januar, die ersten offiziellen Corona-Fälle hatte China der WHO pünktlich zum Jahreswechsel gemeldet, hatte ich eine Zwischenmieterin für meine Wohnung gefunden und viel wichtiger noch auch eine Bleibe für Rumo. Als der erste offizielle Todesfall in Zusammenhang mit Corona gemeldet wurde, bekam ich meine letzte Impfung. Als es den ersten Coronapatienten in Europa gab, feierte ich meinen Abschied mit unzähligen Menschen in der Schaubühne Leipzig. Einen Tag später antwortete mir eine Apothekerin auf meine Nachfrage, ob ich auf meiner Reise eine Maske bräuchte, dass Gelomyrthol gegen Corona völlig ausreichen würde und ich mich so nicht anstecken könnte. Ich kaufte vertrauensvoll zwei Packungen und wie schön wäre es für die ganze Welt, hätte sie Recht behalten. Als der erste Corona-Fall in Deutschland auftrat, übergab ich meine Wohnung an meine Zwischenmieterin Anna. Die letzten Tage vor dem Abflug registrierte ich vor lauter Vorbereitungswust und Aufregung kaum noch.  Als die WHO eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ erklärte, kaufte ich die restlichen Sachen für meine Reise. Einen Tag später deklarierte Italien den Notstand. Immer wieder riefen mich in diesen Tagen besorgte Menschen an, sie hätten die Nachrichten wegen Corona gesehen und sie würden mir doch von meiner geplanten Reise abraten. Von vielen Seiten häuften sich besonders die kritischen Fragen, ob ich DAS tatsächlich JETZT durchziehen wollte, als Frau durchziehen müsste, allein, mit Corona. Mit jedem Anruf wurde ich mir meiner Gründe und der Notwendigkeit, genau jetzt zu fahren, sicherer. Ich hatte keine Chance, denn wenn ich jetzt bleiben würde, wäre ich mit mir selbst komplett verloren. Ich musste los.“

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