Die letzten Wochen war ich einigermaßen hin und her gerissen, wie mein nächster Blogbeitrag aussehen könnte – in allem Grübeln sind nun ein paar Tage verstrichen.

Ich habe überlegt, etwas zum Begriff „systemrelevant“ zu schreiben, denn dieses Wort hat es nunmehr schon zum Unwort meines Jahres gebracht. Da soll es nun um die Aufrechterhaltung eines Systems gehen, einen Fortbestand sichern. Da wird überlegt, was die Basis der Gesellschaft ausmacht, die Grundsäulen der Wirtschaft. Da wird auch diskutiert, welchen Wert welche Branchen haben, da wird eingeteilt und unterteilt, da wird benotet und mit Sternchen versehen, da werden Menschen auf die Auswechselbank geschickt und ein Sitzenbleiben in Kauf genommen, da wird aussortiert und umsortiert, eingekesselt und ausgesperrt. Stempel „systemrelevant“ oder nicht.

Klar bringt es mich ins Nachdenken, wer und was für mich persönlich, für „mein System“ relevant ist; macht es mich traurig, wieviele „andere Systeme“ ganz persönlich an ihre Grenzen kommen und da geht es nicht nur um Geduld, Gesundheit und Geld; frage ich mich, wie lange „das System“ bzw „unsere Systeme“ diesen Zustand noch aushalten, durchstehen. Passende, nachdenklich stimmende Worte hat Marlene Lufen gefunden: https://www.instagram.com/tv/CKtDJhIKcf5/?igshid=pm4tvc30mqlq&fbclid=IwAR3m5wAxT2zfIVaVZ5mk_3rSiDS5o831fmI_mZI1k0WgkNP1F3hmukx3afE

Mitnichten will ich mich aus dem Fenster lehnen und urteilen über das, was bisher war. Ich staune anerkennend über das, was Menschen tagtäglich in dieser Pandemie leisten, nicht nur in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Ich ziehe meinen Hut vor all den Homeschooling-Homeworking Familien. Ich bin froh, in keiner politischen Position zu hocken, denn den Job wöllte ich gerade überhaupt nicht machen. … Merke, wie ich mich manchmal sprachlos und ohnmächtig fühle ob dieser „pandemischen Lage“.

Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass der Beginn des Februar 2021 so aussehen würde, wie er nun daherkommt, hätte ich wahrscheinlich ungläubig den Kopf geschüttelt und mit meinem Gesicht schmunzelnd gerunzelt. Aktuell denke ich immer wieder an „meinen Februar 2020“, die letzten Tage vor meiner Reise, versuche für mein Buch in Worte zu kleiden, wie die Zeit für mich war. Mit einem kleinen Auszug aus meinem Buch, an welchem ich gerade gern und intensiv arbeite, beschließe ich diesen Beitrag. Passt gut auf euch und „eure Systeme“ auf!

„Anfang Januar, die ersten offiziellen Corona-Fälle hatte China der WHO pünktlich zum Jahreswechsel gemeldet, hatte ich eine Zwischenmieterin für meine Wohnung gefunden und viel wichtiger noch auch eine Bleibe für Rumo. Als der erste offizielle Todesfall in Zusammenhang mit Corona gemeldet wurde, bekam ich meine letzte Impfung. Als es den ersten Coronapatienten in Europa gab, feierte ich meinen Abschied mit unzähligen Menschen in der Schaubühne Leipzig. Einen Tag später antwortete mir eine Apothekerin auf meine Nachfrage, ob ich auf meiner Reise eine Maske bräuchte, dass Gelomyrthol gegen Corona völlig ausreichen würde und ich mich so nicht anstecken könnte. Ich kaufte vertrauensvoll zwei Packungen und wie schön wäre es für die ganze Welt, hätte sie Recht behalten. Als der erste Corona-Fall in Deutschland auftrat, übergab ich meine Wohnung an meine Zwischenmieterin Anna. Die letzten Tage vor dem Abflug registrierte ich vor lauter Vorbereitungswust und Aufregung kaum noch.  Als die WHO eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ erklärte, kaufte ich die restlichen Sachen für meine Reise. Einen Tag später deklarierte Italien den Notstand. Immer wieder riefen mich in diesen Tagen besorgte Menschen an, sie hätten die Nachrichten wegen Corona gesehen und sie würden mir doch von meiner geplanten Reise abraten. Von vielen Seiten häuften sich besonders die kritischen Fragen, ob ich DAS tatsächlich JETZT durchziehen wollte, als Frau durchziehen müsste, allein, mit Corona. Mit jedem Anruf wurde ich mir meiner Gründe und der Notwendigkeit, genau jetzt zu fahren, sicherer. Ich hatte keine Chance, denn wenn ich jetzt bleiben würde, wäre ich mit mir selbst komplett verloren. Ich musste los.“