Dumpfer Nachgeschmack zum Wochenende… Ich fühle mich noch immer aufgewühlt. Was war denn in den letzten Tagen in Leipzig?

Am Samstag fielen die „Querdenker“ in die Stadt ein, „dank“ Oberverwaltungsgericht Bautzen kurzfristig in die Leipziger Innenstadt, Ort des Geschehens: Augustusplatz. Eigentlich sollte der kundgebende Haufen auf die Neue Messe Leipzig, außerhalb der Stadt auf einem überschaubaren Gelände, denn angekündigt waren 16.000 Demonstranten. Dass allein diese Menschenmasse nicht mit den vorgeschriebenen Corona-Regelungen auf den Augustusplatz passen könnte, erschließt sich auch dem bloßen Auge sekundenschnell. Mit welchen Argumenten das OVG diese Eilentscheidung fällte, bleibt bis zur Stunde unbegründet. Trauriges Kopfschütteln…

Nicht wirklich überraschend, dass sich die „Querdenker“ nicht an die Auflagen für die Kundgebung hielten. Schon auf meinem Weg zur Gegendemonstration „Leipzig nimmt Platz“ sehe ich Ströme Richtung Augustplatz laufen: Herzchenballonstragende Paare und Familien, Gruppen mit eindeutig rechtsgestimmten Plakaten, singende esoterische Gruppen, feiernde Jugendliche… eine erschreckend bunt gemischte Masse allen Alters mit entsprechend bunt gemischten Rufen. Alle eint: sie halten keinen Abstand, sie liegen sich in den Armen, Masken braucht man nicht. Und dann stehen sie da für ihre Grundrechte, für ihre Freiheit, für Demokratie – widerlich und widersprüchlich, jubeln und schreien nach Liebe, tragen diffamierende Plakate, brechen die Auflagen der Versammlung und bewegen sich gegen aller Maßgaben am Schluss doch noch feiernd über den Innenstadtring mit dem anmaßenden Vergleich zu 89.

Dass die neuen Lockdownmaßnahmen nicht jedem schmecken und dass auch das Recht das zu äußern absolut berechtigt ist, keine Frage, doch verhältnismäßig und angemessen ist das Geschehen am Samstag in der Leipziger Innenstadt mitnichten. Dass sich Restaurantbesitzer und Inhaber all jener Läden, die im Lockdown nicht offen haben dürfen, veralbert vorkommen mussten, ist naheliegend. Dass auch nach der Auflösung der Querdenken-Veranstaltung keine Bewegung in die Masse kommt und das Eingreifen von Polizei ausbleibt, lässt auch einen dumpfen Geschmack übrig. Dass es dennoch möglich war, entgegen aller Auflagen, feiernd und marodierend über den Innenstadtring zu ziehen, lässt mich keine Worte mehr finden… Dass was mich bei allem unglaublich nachdenklich stimmt: wie kann man es vertreten, mit eindeutig rechtem und verfassungsfeindlichem Gedankengut, mit braunen Parolen und Plakaten auf einer Seite zu stehen…?

Treffend zu allem Geschehen am Samstag: http://wolff-christian.de/absurdistan-oder-vom-aufstand-der-esoterisch-verklaerten-anarchisch-egoistischen-corona-leugner/

Schon mit meiner veröffentlichten Statusmeldung bei Whatsapp am Samstag habe ich Reaktionen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis hervorgerufen, denen ich gern begegne. Gespräche entsponnen sich, warum ich Teil der „Leipzig nimmt Platz“ – Kundgebung und damit Teil der Gegendemonstration gewesen sei, was mich am Samstag auf die Straße bewegte, warum ich auf dieser und nicht auf der anderen „Seite“ stünde… Ich bin dankbar für all die Momente und all die Wege, in denen solche Fragen gestellt werden und Platz für einen ehrlichen Meinungsaustausch ist. Gerne mehr davon. Mit einem Gedanken bzw. einer Nachricht aus einem Whatsapp-Verlauf meinerseits möchte ich diesen Beitrag beenden, der schlichtweg nur eines soll: Anstoßen zum Nachdenken.

„Ich werde niemals aufhören, in meiner Stadt einem solchen Wahnsinn entgegenzutreten. Rechte Meinung darf nicht salonfähig sein. Ich finde, Gesicht zeigen ist wichtig. Jeder da wo er ist und wie er kann.“