Monat: Juni 2023

Haltlose Freiheit

Ich danke euch für die vielen mitfühlenden, wunderbaren Worte, für die tiefe Anteilnahme, für das verstehende Schweigen und das offene Mitweinen, ich danke euch für euer Dasein und euer taktvolles Wegbleiben in den vergangenen beiden Wochen. Der Verlust von Rumo schmerzt mich immer noch zutiefst – dieser Hundemann hat nicht nur mein Leben verändert.

Heute schrieb mir ein Freund: „Der Verlust meines Fellfreundes, mit dem ich sehr sehr viele Erinnerungen verbinde, schmerzt mich auch. Ich bin sehr dankbar für den Hundemann, dem ich auch so manches verdanke, insbesondere Entspannung, Pausen, Gelassenheit…“ Rumo war mir auch ein Lehrer, ein Entschleuniger und Immerschmuser, ein Aufheiterer und Ausdemdenkenreißer, ein Menschenfreund und Hundeskeptiker, ein Ballverrückter und Zähneputzenliebhaber, ein Schneegenießer und eine Wasserratte, manchmal quietschfidel und manchmal mitfühlend nachdenklich. Er war ein kleiner Tricksbert, ein fröhlicher Matschgenießer, ein Unschuldsblickkönner und eine treue Seele. Dass er vor vielen Jahren in mein Leben kam, mir im Tierheim entgegentapste, war mein großes Glück. Er strukturierte auf die liebevollste Flauschweise meinen Tag, er riss mich von Schreibtisch hinaus bei Wind und Sonne, bei Regen und Hitze, er riss mich aus meinen trüben Gedanken und gab mir Halt, jeden Tag. Es war damals eine schnelle Idee meiner Therapeutin gewesen und Rumo wurde mir zu einem der wundervollsten Begleiter.

Einige Fragen von euch sind offen und auch die sollen neben der Erinnerung an Rumo in diesem Beitrag einen Platz bekommen:

Er hat sich nicht lange gequält… Rumo war schon länger angegriffen durch diesen beschissenen Tumor. Das Wochenende bevor er starb, waren noch ein paar Menschen bei uns daheim und er hat die kleine Geburtstagssause sichtlich genossen, hat Leckerlis abgesahnt und eine Menge Streicheleinheiten eingesammelt. Den Sonntag dieses Wochenendes waren wir am See, er war ein wenig matt – doch es war auch super warm. Und abends ist er ganz happy mit seinem Zähneputzen ins Hundebett gefallen. In der Nacht wurde ich wach, er hatte sich unter den Schrank im Schlafzimmer gelegt und kam nicht mehr heraus… da wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich zog ihn behutsam hervor uns legte ihn in seinen Korb… dass es anders ist als sonst und der Weg zum Tierarzt der letzte sein würde, war wenige Stunden später sichtbar. Ich bin noch jetzt dankbar, dass ich das Auto nicht fahren musste, sondern bei Rumo auf der Rückbank sitzen konnte. Und als wir den Parkplatz des Tierarztes erreichten, hatte er seinen letzten Atemzug gemacht… Der Hundemann wurde diese Woche im Tierkrematorium eingeäschert. Sobald seine Asche bei mir ist, werde ich ihm einen guten Platz geben; einen, den er auch geliebt hätte.

Und ja, ich gebe nach und nach Teile seiner Sachen weg – manches werde ich behalten, doch das meiste kann anderen Hunden zugute kommen. Vergangene Woche war ich ihm Tierheim – das war ein merkwürdiger Abschluss, denn vor vielen Jahren holte ich ihn dort ab und nun habe ich einiges von ihm dorthin zurückgebracht. Manches sucht noch ein neues Zuhause, weil das Tierheim nicht alles aus hygienischen Gründen nehmen kann – schreibt mich gern an, wenn ihr was braucht oder jemanden kennt, der etwas nutzen könnte. Und ja, ich gebe die Dinge auch weg, weil kein zweiter Hund kommen wird. Es würde sich nicht richtig anfühlen, es wäre für mich absolut nicht stimmig. Manche schrieben mir, dass es doch leichter sein könnte, doch ich gestehe: es ist ein grauenvoller Gedanke für mich, diesen einzigartigen besonderen Fellfreund zu ersetzen, oder es zu versuchen…

Den Titel dieses Beitrages habe ich nicht ohne Grund gewählt, denn das beschreibt mein derzeitiges Inneres (und damit auch die letzte eurer Fragen, wie es mir geht in den letzten Tagen): ich fühle mich bodenlos, haltlos, merkwürdig frei. Es ist keine dieser Freiheiten, in denen man aufatmet, weil endlich Urlaub ist oder der erfrischende Regen gefallen ist, auch keine dieser Erleichterungen die man nach einem schwierigen Gespräch fühlt oder nach einem geklärten Konflikt oder wenn man endlich alles erledigt hat… es ist für mich gerade ein Gefühl von Freiheit in Ketten, von Haltlosigkeit ohne Ende. Manchmal habe ich den großen Wunsch, mich zuzudröhnen gegen die Traurigkeit, gegen die Haltlosigkeit. Doch kann ich dem kleine Schritte entgegensetzen.

Jeder von euch, der schon einen Verlust erlebte, wird ahnen, wie es sich anfühlt, wird ahnen, dass es noch eine Weile so sein wird, wird ahnen, dass es nie ganz vorbei ist. Doch Rumo wird einen guten Platz haben, in meinen Erinnerungen und meinem Herzen, in meiner Wohnung und irgendwo da draußen und freilich auch in den Erinnerungen von euch. Danke dafür!

Tag 3

Donnerstag mittag. Meine Füße liegen auf dem Schaffell unter meinem Schreibtisch, ich versuche mich auf meinen Bildschirm zu fokussieren und mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Der Notenschluss in den einzelnen Schulen steht an und zumindest müssen bis morgen alle Kopfnoten eingetragen sein… doch immer wieder schweift mein Blick die Wand vor mir entlang über die Bilder, die Erinnerungsstücke und bleiben an den Bildern von Rumo hängen. Der kleine süße Hundemann mit seinen Knopfaugen und seinem großen Herzen schnarcht mir nicht mehr zu Füßen, er liegt auch nicht mehr auf den kühlenden Fliesen des Bades oder in seinem wärmenden Bett… er ist am Montag verstorben.

Und damit begann für mich eine neue Zeitrechnung: heute ist Tag 3 ohne Rumo und kaum ein Wort mag den Schmerz über den Verlust fassen. Er war mein Seelenbuddy, mein Tränentröster, mein Alltagserfrischer, mein Gefährte und mein Freund… er war für viele der liebste Hundemann und selbst die Menschen, die Hunde nicht mochten, meinten oft: „Ich kann zwar Hunde nicht leiden, aber Rumo ist anders. Den mag ich!“ Und ja, Rumo war anders und er machte es den Menschen leicht, ihn zu lieben. Er schlich sich mit viel Freude, Begeisterung und Zuneigung in die Herzen und in manches Leben. Und so hinterlässt er nicht nur bei mir eine Lücke…

Er hat es geschafft – die letzten Monate waren für meinen Sir Rumolf ein auf und ab von gesund werden und krank sein. Der Tumor in seinem Darm fraß ihn langsam auf und nahm ihm seine Kraft. Das Tröstliche: das letzte Wochenende hat er in vollen Zügen genossen und am Montag ging es recht schnell. Er hat sich nicht lange quälen müssen. Das war es, was ich mir für ihn gewünscht hatte und dennoch war es ein bodenlos, trostloser Moment. Und der hält noch an… Es wird dauern, bis die Montagsbilder aus meinem Kopf blasser werden und die schönen Bilder von und mit ihm sich den Raum zurückerobern. Und es darf seine Zeit dauern, die es braucht.

Bis dahin wechseln sich Tränen mit Bildergucken ab, ich räume etwas auf, räume ein bisschen weg, versuche allem Äußeren und Inneren einen Platz zu geben… Wer von euch Lesenden auch durch Bilder und Videos von Rumo schnorcheln mag, kann das gern auf meinem Instagram- oder Facebookprofil tun. Für diesen Beitrag gibt es nur ein Bild – eines der letzten von ihm.

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