Oktober 7th – Leipzig

Ich bin euch einen Nachtrag vom Wochenende schuldig. Einen Beitrag zum Sommer 1989 hatte ich angekündigt. Eine kleine Collage aus Eindrücken sollte es sein, Worteindrücke, Momente, Blitzlichter eurerseits. Inspiriert zu diesem Gedanken hatte mich das Lied „Sommer ’89“ der Indiegruppe Kettcar

Im Sommer 1989 war ich noch nicht einmal sieben Jahre alt. Dunkel erinnere ich mich an den Kindergarten in Affalter, an die Osterbastelei aus Fit-Flaschen im Jahr 89, an die Ferienspiele und das Freibad. Ich erinnere mich an den Schulanfang in der „Linde“, sehe mich selbst vor meinem inneren Auge noch ganz aufgeregt auf einem der Stühle wackeln, auf der Bühne gab es das traditionelle und höchstbeliebte Theaterstück über den „Zuckertütenbaum“, die „fliegenden Bienchen“ mit ihren kleinen Flügelchen, „Alice“ und eine flammende Rede über die DDR, hinter uns erlitt eine Frau einen Schwächeanfall, ich bin stolze Trägerin einer Zuckertüte (leider weiß ich nicht mehr, was sie krönte), wir verlassen Hand in Hand die „Linde“ und laufen in die Grundschule, ein erstes Klassenfoto entsteht mit unseren winzigen Nasen und der tollsten Grundschullehrerin der Welt… kleine Blitzlichter eines Schulanfangs 89.

Carola schreibt: „Ich war damals 15 und habe im Sommer 89 als Westdeutsche mit meiner Schulfreundin bei deren Tante in Ostberlin Urlaub gemacht. Sowas machte sonst keiner. Meine Erinnerungen: Schikane am Grenzübergang „machen Sie bitte Ihr Ohr Frau“ und Zwangsumtausch. Aber auch weltbeste panierte Schnitzel bei der super lieben Tante Inge und zum ersten Mal Sat 1 und RTL geguckt (dafür gab’s bei uns auf dem Land keinen Empfang). Und das Gefühl, dass das Leben in Ostberlin anders aber irgendwie auch normal ist. Und die Erinnerung daran, dass ich mir im Sommer nie hätte vorstellen können, dass es diese Grenze irgendwann mal nicht mehr gäbe. Ich hatte als Kind und Jugendliche nie bewusst Veränderungen von Grenzverläufen erlebt. Was im Dierke Weltatlas stand, war Gesetz.“ Und Carola ergänzt auf mein neugieriges Nachfragen: „Früher waren Passfotos oft so (ganz leicht seitlich) aufgenommen, dass auch ein Ohr als Erkennungsmerkmal auf dem Bild zu sehen war. Bei der Passkontrolle musste ich also mein Ohr zeigen, da es leicht von Haaren bedeckt war. Dass alles mit einem reichlich motzigen Ton unter fiesestem Neonlicht in einer engen Kontrollschleuse… da habe ich als 15jährige mächtig Schiss gehabt. Rückblickend bin ich beeindruckt, dass meine Eltern uns zwei Teenies vom Dorf diese Reise haben überhaupt machen lassen.“

Und, was hast du gemacht im Sommer ’89?