„Freie Gedankenfetzen“

Seit gestern räume ich meine alten Kisten auf. Erinnerungen haben sich darin angesammelt, Fotos, selbstgeschriebene handschriftliche Texte, Zeitungsartikel und kleine Gegenstände, Muscheln und Sand, so mancher eigenwilliger Stein. Besonders an den Texten bin ich dieses Mal hängen geblieben, bin über so manchen gestolpert und sitze nun auf meinem Hosenboden und lese. Es ist eigensinnig, denn ich lese meinen eigenen Worte, habe das Gefühl, neben der „früheren“ Susann zu sitzen, lausche ihr, nicke so manches mal, schüttele manches mal grinsend den Kopf, ertappe mich auch wie ich denke „ach, wie jung!“

Einen Text mag ich heute mit euch teilen. Er ist aus dem Jahr 1999, blutjunge 16 Jahre war ich damals und habe mir Gedanken über die Freiheit gemacht. Weswegen ich über ihn gestolpert bin, war eine Wort: „Neuseeland“. 21 Jahre später war ich da. …

Freie Textfetzen (1999)

Kennt ihr dieses Gefühl?

Die Sehnsucht zieht in und an euch. Zieht euch weg, von dem, was ihr habt. Die Sehnsucht zieht euch hinaus. In die Ferne. In die Weite. Weg. Weit weg.

In die Unendlichkeit. In die Freiheit. In die unendliche Freiheit.

Dieses Verlangen spüre ich oft in mir. Ich glaube, das liegt daran, dass ich mich oft gefangen fühle. Trotz organisatorischer Freiheit. Innerlich gefangen. In mir selbst. Gehalten durch andere. Gefangen in allem. Durch euch. Seltsam.

Wohin es mich zieht, fragt ihr?

Hinaus in die Welt, die ich nicht kenne. Die mich nicht kennt.

In die Weite. Nach Neuseeland.

Unbezwingbarkeit. Schönheit. Unbezwingbare Schönheit.

Unfassbarkeit. Extreme. Unfassbare Extreme.

Unendlichkeit. Freiheit. Unendliche Freiheit.

In mir ist die Frage, wie lang ich mich dort frei fühlen würde. Sicher nicht für immer. Weilt man in der Fremde, so zieht es doch nach Hause, sagt man. Gewohnheit. Umgebung. Vertrautheit. „Meine Welt.“ Eigenes. Bekanntes.

Warum? Ich weiß es nicht. Menschen sehnen sich eben nach Gewohntem. Vertrautem. In dem sie leben, existieren, Dasein haben. Einen Namen haben. Regieren. Bestimmen. Herrschen.

Manchmal geht es mir auch so, dass ich mich da sicher fühle, wo man mich ernst nimmt. Ich etwas sagen darf. Ohne Abzüge zu machen. Ohne Kompromisse einzugehen. Manchmal. Kennt ihr das?

Mir ist bewusst, wie viele Freiheiten ich in diesem Land genieße. In meiner Heimat. Existenziell. Ich habe die Freiheit, zu reden, was mir in den Sinn kommt. Ich darf eine Meinung haben. Meinungsfreiheit. Doch garantiert diese Tatsache nicht, gehört zu werden. Eigentlich schade. Toleranz ist nicht erwartet. Nur ein offenes Ohr. Keine offene Tür. Kein Umbruch.

Ich habe die Freiheit, meine Persönlichkeit frei zu entfalten. In Toleranz und Respekt gegenüber den anderen. Ich darf Ideen haben. Meine Gedanken äußern. Meine Träume und Wünsche. Ich darf ich selbst sein. Ich habe die Freiheit, meinen Glauben zu leben. So zu leben, wie ich es verantworten kann. Vor mir. Meinem Gewissen. Vor einem Gott. Denn spätestens dort muss sich jeder selbst verantworten, heißt es.

Diese Freiheiten garantieren mir aber kein freies Leben. Denn so schön diese Grundsätze auch sein mögen, so sehr sind sie durch euch eingeengt worden. „Interpretiert“. Ihr habt Dinge geschaffen, die mir die Freiheit nehmen. Ich weiß, dass ich es probieren könnte, „eigenwillig“ zu leben. Doch ich weiß auch, dass ihr es nicht dulden würdet. Würdet mich ausgrenzen. Diskriminieren. Ausstoßen. Ausschließen aus eurem Leben. Ich stünde allein. Das wisst ihr auch. Und es gibt euch Sicherheit. Macht euch souverän. Gebieterisch. Scheint, als würdet ihr immer sein. Für ewig. Ihr existiert in jeder Zeit.

1 Kommentar

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