Vor ein paar Tagen, als ich abends das Auto vorm Haus geparkt hatte und ausgestiegen war, da roch ich ihn: den Frost, den Schnee, den Winter. Und mein Herz schlug schneller vor Vorfreude (auch wenn die Autofahrerin in mir kurz stockte). … Wenn ich in Vorstellungsrunden nach meiner liebsten Jahreszeit gefragt werde, wenn ich in Ankommensrunden mit Bildern eines auswählen muss: dann ist es zumeist der späte Herbst, der frühe Winter. Ich habe mein Herz an diese Zeit verloren. Dann ist die Hitze des Sommers auf jeden Fall vorüber, die Ernte ist „eingefahren“ und der Garten legt sich schlafen, dann wird es ruhiger und in mir auch klarer. Die Welt um mich her wird gefühlt langsamer, mein Blick wird freier, für mich weiter. … Deshalb habe ich es geliebt, letztes Jahr zwei Mal Herbst und Winter zu erleben: im Juni/ Juli in Neuseeland und dann danach nochmals in Deutschland 🙂 Du fragst dich sicher, was ich an dieser Jahreszeit liebe? Wo doch mindestens 90% der Menschen den Abschied vom Sommer bedauern und aus lauter Frust in die wärmeren Regionen der Erde urlaubend „flüchten“. Der Herbst ist in sich ambivalent: es ist ein Abschied im Ahnen des neuen Anfangs, ein Durchatmen vor der „nächsten Runde“, ein Aussortieren und zeitgleich Vorbereiten. In diesem Moment liegt Spannung und Entspannung zugleich – bis fast zum Zerreißen im Innen und Außen.

Freilich kann ich nicht leugnen, dass ich mich auch mit der Ambivalenz dieser Jahreszeit verbunden fühle. Es ist das Gold auf der einen, die Tristesse auf der anderen Seite. Es ist die Fülle der Ernte und der Schmerz des Verlustes. Es ist die Dankbarkeit und die Sehnsucht. Es ist die Freude und die Traurigkeit. Es ist das besondere Licht und die tiefe Dunkelheit. In mir ist Klarheit und Suchen, Verlieren und Finden, Tränen und Schmunzeln, Kälte und Wärme.

Diese Spannungen trage ich in mir – nicht nur im Herbst. Der späte Herbst deckt sie für mich am deutlichsten auf, lässt mich am stärksten fühlen. Und der darauf folgende Winter entspannt die gefühlten Widersprüche mit seiner kalten, pulsierenden, durchdringenden Klarheit. Dann kann ich am besten ausruhen und wieder Kraft tanken „für mein geliebtes Leben mit meinen inneren Ambivalenzen „für die nächste Runde“.

Ich wünsche dir einen spannenden und entspannten Herbst, Wärme im Herzen und Klarheit im Außen, Zeit zum Suchen, Geduld zum Finden, Trost im Verlust.