Irgendwann habe ich mal ein Sprichwort aufgeschnappt, sinngemäß so: du kannst am Grashalm ziehen – davon wächst er auch nicht schneller. Heute Abend, als ich meine vorgezogenen Tomatenpflänzchen auf der Fensterbank in meinem Wohnzimmer, goß, kam mir wieder dieser Gedanke. Sie sind vergleichsweise mickrig für den Wonnemonat Mai und ich würde sie gern in die Länge ziehen, damit sie endlich raus in den Garten und in den guten Boden können. Doch noch sind sie nicht so weit und meine Ungeduld scheint ihrem Wachstum wenig zuträglich zu sein. „Es wird dauern, so lange es eben dauert“, skandiert eine leise Stimme in meinem Kopf, während ich diese Zeilen schreibe. „Es wird dauern und ändern kannst du nichts daran.“
Manches geht nur Schritt um Schritt. Manches in meinem Leben hätte ich gern schneller, unbedingt jetzt, im Moment des Verlangens und Begehrens. So geht es mir ab und an, wenn ich auf eine Onlinebestellung warte – dieses gute Buch und die Fortsetzung will ich unbedingt heute anfangen! Oder wenn ich mit gutem Hunger Essen koche – dann zieht sich jede Minute, in denen die Spaghetti nicht weich werden! Oder wenn ich auf einen Rückruf warte, auf eine Entscheidung anderer, das Gefühl zieht sich nicht nur durch meine privaten Momente, auch im Arbeitskontext erlebe ich mich, wie ich gern „am Grashalm ziehen würde“.
Im März bin ich beim Mammutmarsch in Leipzig an den Start gegangen. Die Anmeldung dazu war auch eine schnelle Bauchentscheidung – im Nachgang bin ich froh, dass ich noch eine Freundin bequatscht hatte, mitzumachen. 30km lagen an diesem Tag vor mir, freilich hatte ich ein wenig trainiert und mich um neue Schuhe mit frischen Einlagen gekümmert. Die ersten Schritte liefen wie am Schnürchen, die erste Verpflegungsstation im leichten Regen schmälerte meine Freude keineswegs. Doch als die erste Blase am Fuß war, die ersten Kniezipperlein eintraten, sich die Strecke zog, da waren die Schritte plötzlich nicht mehr federnd, nicht mehr flockig. Zuletzt – das Ziel war in Sicht, doch eine kleine Runde durch den Park musste noch absolviert werden – habe ich bei fast jedem Schritt geschimpft. „Wer hatte eigentlich diese Idee!???“ Mit Hilfe von Karo habe ich es ins Ziel geschafft und das Gefühl war der Knaller! Diesen Marsch geschafft zu haben, mit allem was dazu gehört und diese Freude am Ende trieben mir Tränchen des Glücks in die Augen! (Und, was soll ich sagen: trotz wirklich derber Blasen am Fuß habe ich mich tags darauf gleich für den Marsch 2026 angemeldet 😉 )
Im Nachgang wurde mir etwas anderes bedeutsam: die Strecke war für mich machbar, weil ich ganz oft nur an den nächsten Schritt gedacht habe. Nur an den einen nächsten, der in diesem Atemzug dran war. Nicht an die vielen Tausende, die auch noch folgend müssten, um ins Ziel zu kommen. Nur an den Schritt jetzt, atmen, Schritt, atmen, Schritt. So hat es Beppo bei Momo auch gemacht; so habe ich es geschafft. Hätte ich permanent an alle Schritte und die ganze Strecke gedacht, wäre es mir wahrscheinlich nicht gelungen. Der Frust hätte mich bestimmt an der nächsten Haltestelle in den Bus einsteigen lassen!
Und ein zweites: ich bin noch heute dankbar für die Spitzenweggefährtin. Manche Wege muss ich eben nicht allein gehen; bei manchen Wegen ist es gut, jemanden an meiner Seite zu haben.
Und das wünsche ich dir auch. In den Momenten, in denen Schritte zäh sind, Strecken unendlich, Motivation sinkt und der ungeduldige Wunsch, am Grashalm zu zerren, steigt: atme und im besten Fall: lass dich von deiner Weggefährtin mal fest drücken. Und dann setz den nächsten Schritt und atme wieder und dann der nächste Schritt.
Im März hatte mich dann endgültig das Lauffieber gepackt und ich laufe nun im Mai für einen guten Zweck: für die DMSG – die deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft. 100km für den guten Zweck – die Erforschung dieser Krankheit mit tausend Gesichtern. In meinem Umfeld kenne ich von der Krankheit Betroffene und Angehörige und diese Ohnmacht, die in mir entsteht, möchte ich in Energie umwandeln. Ich laufe und du unterstützt mich: durch Spenden oder den Link bzw. die Aktion zu teilen. Ursprünglich wollte ich große Strecken laufen – das Leben kam dazwischen und ich mache es, wie oben beschrieben: Schritt um Schritt kleine Strecken, atmen dazwischen und dann die nächste Strecke. Bis zum Monatsende sollen es so mindestens 100km sein! Ich freue mich über deine Unterstützung: https://www.themay50k.de/s/11039/12759
Tausend Dank schon im Voraus! 🙂
Auf den ersten Strecken sind auch schon ein paar hübsche Bilder entstanden, die will ich dir nicht vorenthalten. In diesem Sinne wünsche ich dir gute Schritte durch die neue Woche und liebste Weggefährten 🙂
























