Heute kurz nach fünf das gleich Spiel wie jeden der letzten Tage: ich wache auf und kann nicht mehr schlafen. Obwohl ich das Schlafzimmer abgedunkelt und das Fenster gegen die morgendliche Zwitscherfreude der Vögel verschlossen halte, schlafe ich nicht länger. Grummelnd erhebe ich mich, koche einen Bittertee und beschließe, den Morgen zu nutzen, um eine Runde zu laufen. Das Gute an Feiertagsmorgen ist doch das: keiner ist unterwegs und es fällt nicht mal auf, wenn ich mit ungekämmten Haaren in Schlonzklamotte durch Markranstädt laufe!
Kurz vor sechs erhebt sich dann die Sonne über die Baumwipfel und mit ihr bin ich unterwegs. Die Gedanken laufen kleine Schleifen, während ich die frische Luft tief einatme und die Menschenruhe genieße.
… Pfingsten ist eines der letzten großen Feste im Kirchenjahr. Nachdem Jesus im Himmel verschwunden war, passierte 10 Tage lang nichts. Dann – 50 Tage nach Ostern – gab es „plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm tobt… Zungen wir Feuer, die sich verteilten“. Der Geist Gottes war unter die Menschen gefahren und beGEISTerte sie, erfüllte ihre Herzen, vereinte sie über Ländergrenzen hinaus. So erzählt es die Apostelgeschichte der Bibel. Und ich bleibe hängen an den Fragen: Was beGEISTert mich? Wofür brennt mein Herz? Wofür bin ich Feuer und Flamme?…
Ich beschließe kurzentschlossen, meine mitgebrachte Schere und Beutelchen zu zücken und an diesem riesigen Holunderbusch halt zu machen, um Blütendolden zu schneiden. Inmitten des summenden Busches genieße ich den stillen Morgen vor allem, weil Pfingsten in Leipzig besonders viele Menschen nach draußen lockt. Dieses Jahr fallen Stadtfest und WGT (Wave-Gotik-Treffen) aufeinander. Schon am Freitag erlebte ich eine angespannte Parkplatzsituation und „wühlte mich“ rund um den Park durch gutgelaunte, phantasievoll gekleidete Anhänger der „schwarzen Szene“ hin zum Verlag. Das, was es diesen WGT-Tagen immer wieder gelingt, ist, das Ende des Lebens, den Tod, in das Bewusstsein der Menschen zu holen. Den Tod ein Stück alltäglich und greifbar werden zu lassen. Der Korso von Leichenwagen gehört selbstverständlich zum WGT, wie Konzerte, Andachten und die unzählige Begegnung mit „den Schwarzen“ verteilt über die ganze Stadt. Für manche vielleicht befremdlich – für mich anteilig auch, besonders, wenn Menschen in Gasmasken vor mir stehen. Und doch: besonders heute morgen – im Holunderbusch stehend – schweife ich zu der Frage, wie „alltäglich“ ich mit dem Thema Tod umgehen kann?
Die Endgültigkeit, die vermeintliche Letztgültigkeit nimmt mir fast die Lust zum Atmen und der Kloß im Hals wächst… heute ist der Todestag meiner Omi; in drei Tagen jährt sich zum zweiten Mal Rumos Todestag… Unwillkürlich steigen mir Tränen in die Augen und das Vermissen schmerzt. Keine Ahnung, ob und wie Zeit Wunden heilt, was ich fühle: Zeit verändert Wunden. Und Zeit bringt dankbares Lächeln zu den Tränen…. Und wird dann Tod „alltäglicher“?
Ich lege die letzten geschnittenen Holunderdolden in das Beutelchen und schicke einen Gruß gen Himmel, übe so, mit der Endgültigkeit des Todes umzugehen und ihn etwas alltäglicher zu machen: An alle die, die viel zu früh gegangen sind. An alle die, die ich heute besonders vermisse. An alle die, die mir Tränen und Lächeln ins Gesicht zaubern. An alle die, mit denen mich dankbare Erinnerungen verbinden. Ihr fehlt.
Auf dem Weg nach Hause wandern die Gedanken wieder und die Tränen werden weniger. Meine Pfingstmontagsgedanken und die Fragen an dich: Was beGEISTert dein Herz? Wofür bist du Feuer und Flamme? Und welche Erinnerung zaubert dir Tränen und Lächeln ins Gesicht? Ich wünsche dir einen hübschen Feiertag!

























