Es ist Abend und die Straße vor meinem Haus ist schon lange ruhig. Ich sitze an meinem Schreibtisch, eine Tasse „Träum schön-Tee“ dampft wohlig neben mir. Eigentlich wollte ich den Tee nach der heißen Wanne im Bett schlürfen, doch Gedanken trieben mich aus der Wanne direkt an den großen alten Holzschreibtisch in meinem Wohnzimmer. Meine gewärmten Fußzehen bohren sich in das herrlich flauschige Schaffell zu meinen Füßen und der superweiche Bademantel hält mich warm. Meine Finger fliegen über die Tasten, während meine Gedanken durch ein Jahr Erinnerung hüpfen…

Zöge ich Bilanz wie eine Pessimistin, dann würde ich dir von den neuen Falten und Wehwehchen, den Verlusten und Schmerzpunkten erzählen. Die wunden Erinnerungen daran mir mit Worten zurückholen und dir ausschmücken, würde klagen über das immer halb leere Glas und wie sehr mich manchmal das Leben angekotzt hat in den letzten 365 Tagen. Errechnete doch ein Computer eines Science-Fiction-Romanes, dass 42 DIE Lösung für alles ist, DIE Antwort auf alle Fragen, DAS wunderbarste Ergebnis. Nun liegt in wenigen Minuten das 42te Lebensjahr hinter mir und die Pessimistin zöge Bilanz: 42 war nicht der Knaller.

Ja, das könnte ich, doch ehrlich: ich will eine Bilanzbalance! Die Klagen kommen eh leicht über Lippen, die Wehwehchen wachsen ob ich will oder nicht, so ist das nun mal und das gehört zum Lebendigsein.

Ich will eine Bilanzbalance, will dir erzählen von all den Dingen, die ich gesehen, gehört, gerochen und gefühlt habe. Die mein Herz und meine Seele bereicherten …der Schnee im Erzgebirge, der Duft des Fichtenwaldes, die Robbenkolonie und die Wale, die Kühle der Seen in die ich abgetaucht bin und die Steine, die ich sammelte, die unzähligen Himmelsbilder und Schnappschüsse, würde die meine abgelaufene Schuhe zeigen und diese Fülle an Bildern in den kleinen Schachteln meines Regales…

Ich will dir erzählen von den Begegnungen in diesem Lebensjahr, die mich haben wachsen lassen und nachdenken. … Von den Armen, die mich gehalten und getröstet haben. … Von den Menschen, die mit mir geschwiegen und diskutiert haben, gelacht und geweint, die da waren und geblieben sind, die mich gehalten und ausgehalten haben und die ich lieben kann auf meine Art…

Von den Herzen, die für mich offen waren und den Augen, die mir zuzwinkerten. Ich will dir erzählen, von den Wegen, die ich gehen durfte und dass die Schrammen verheilen. Nicht nur die Blasen an den Füßen und die blauen Flecke auf der Haut, auch die Risse in mir wachsen langsam zu.

Ich will dir erzählen, wie ich „weiterwanderte“ und wie froh ich über jeden mutigen Wegbegleiter bin. Und wie dankbar!

So ziehen vor meinem inneren Auge Bilder meiner Bilanzbalance wie eine Diashow… und ich genieße ihre Farben, ihre Grau- und SchwarzWeißTöne, ich rieche die Eindrücke und lausche den Stimmen, tauche ab in den Erinnerungen, komme in Balance… und liebe es.

Und ein leises Lied summen meine Lippen jetzt… und die Fußzehen klopfen dabei den Takt ins Schaffell.

Warum ich dir diese Zeilen schreibe? Um dich zu ermuntern, in Bilanzbalance zu kommen… nicht stehen zu bleiben im Klagen über das Halbleere, Halbgewalkte, Verlorene, Verschwundene… sondern weiter zu wandern zu Dank und all dem wunderbaren Wertvollen – auch wenn das manchmal schwer fällt. Ich weiß. 🙂

Und in die Nacht hinein sende ich dir Wünsche ruhigen Schlafes und mein gesummtes Lied. Ar labu nakti!