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Hand aufs Herz

Jetzt mal ehrlich: was ist das Geheimnis derjenigen, die Morgens aus den Federn kriechen und keine Kissenfrisur haben?!? Bei denen die Haut keine Falten schlägt, als hätte sich der Kissenabdruck täto-artig in die Poren gefressen? Was muss man Abends konsumieren, um morgens so „fresh“ auszusehen und was ist das Geheimnis gegen Augenringe? Ich stelle fest: Gesichtsmasken und Gurken helfen bei mir nicht (mehr).

Wie ich dazu komme, euch dies zu fragen, werte Leserschaft? Ähm, also Hand aufs Herz: nachdem ich euch in einem meiner letzten Beiträge einen impressiven Vergleich 2020 + 2021 erlaubt hatte, gab es nicht nur die erstaunte Feststellung einiger Neugieriger, dass sich meine Frisur verändert habe 😉 Besonders einigen Damen fiel auf, dass sich auch mein Gesicht verändert hätte… ähm, ja, stimmt, ist mir auch aufgefallen. Auch ein Schal wirkt Wunder gegen Doppelkinn, grins.

Und noch einmal Hand aufs Herz: ich stelle mich nicht gerne vor den Spiegel – erst recht nicht morgens – da fallen mir in geballter Wumme alle Falten auf einmal auf, da bekomme ich das Gefühl, dass meine Haare einen Tacken gräulicher werden, da kriege ich den heftigen Impuls, zu färben, mein Gesicht zu bügeln oder hinter die Ohren zu tackern.

Doch das, was ich zum Glück von Herzen auch kann und liebe, ist, mich selbst frech anzugrinsen und mir eine Grimasse zu ziehen. Shit happens und Veränderung eben auch! Und das, was mich heute köstlich erfreut hat, war, mich durch die Bilder der letzten Jahre zu klicken – dank Facebook ne leichte Sache, denn das Netz vergisst nie 😉 . Jetzt schmerzt mein Bauch vom Lachen – einen Einblick bekommt ihr auch, werte Leserschaft: 43 Gesichter der Frau F.

Einen fröhlichen Abend wünsche ich euch!

Ein ganzes Jahr später…

Der Abend hat sich über die Stadt gelegt, nur noch wenige Autos schleichen über die glatte und verschneite Hauptverkehrsstraße vor meinem Haus. Ab und an startet ein Rettungswagen in der Nebenstraße, doch im Großen und Ganzen ist der Leipziger Westen durch eine Schneedecke zugedeckt, ruhiger geworden, friedlicher und auch fröhlicher. Ich denke an die schönen Spaziergänge durch den Schnee in den letzten Tagen, an die fröhlich lachenden rutschenden Kinder, die unbekümmert grinsenden Erwachsenen, die Menschen scheinen erleichterter unterwegs, fast schon beschwingt als stünde der Frühling vor der Tür. Auch mich lässt der Schnee aufatmen, die Luft ist klar und eisig und damit werden auch meine Gedanken klarer, deutlicher, friedlicher und ich atme auf im Lockdownmuff.

Gleich werde ich den Feierabend einläuten, nachdem ich noch ein wenig an meinem Buch über die Reise im vergangenen Jahr gearbeitet habe. Das heutige Datum hatte mich daran erinnert, dass ich genau heute vor einem Jahr mit meinem prall gefüllten Rucksack in Berlin gestartet bin, in Moskau in Schneesturm und Eiseskälte umstieg und just um diese Zeit, in der ich gerade diese Zeilen tippe, im Flieger Richtung Hanoi saß. Ein Jahr ist es nun her, dass ich losgetigert bin und auf der einen Seite fühlt es sich an wie „Was? Schon wieder ein ganzes Jahr???“ und auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass zwischen heute und dem vergangenen 11. Februar Welten und Jahrzehnte liegen könnten.

Ich schmunzle in diesem Moment und dabei rinnt mir ein kleines feines Tränchen übers Gesicht, denn die Erinnerung trägt Freude und auch Melancholie in sich. Und wenn ich mir die Bilder anschaue, dann kann ich ein breites Grinsen nicht unterdrücken, denn immerhin meine Frisur sitzt an diesem 11. Februar besser 😉

Mit einem kleinen Auszug aus meinem Reisebuch sende ich euch grüße in die Nacht! Passt gut auf euch auf!

„Ich wäre notfalls auch mit dem ICE gefahren, doch ich war froh, dass mich mein Paps nach Berlin-Schönefeld brachte. Viel zu früh erreichten wir den Flughafen, tranken Kaffee und aßen eine Kleinigkeit. Danach gab ich mein Backpack auf, 23kg, und zum ersten Mal rutschte mir das Herz nicht nur bis in die Hose, sondern bis in die Füße. Es wurde ernst. Ich würde tatsächlich losfliegen. Gemeinsam mit meinem Paps ließ ich mir den Wind auf der Aussichtsterrasse des Flughafens um die Ohren wehen, wir machten ein, zwei Selfies und zum zweiten Mal rutschte mir das Herz bis in die Füße. Wehmut beschlich meinen Körper. Gleich würde ich allein sein, gleich würde ich allein losziehen, für mindestens sechs Monate. Irgendwann musste Paps zurückfahren und ich fühlte mich schlagartig verloren und verlassen, versuchte tief zu atmen und nicht panisch zu werden. Obwohl ich seit mehreren Monaten mehr oder weniger erfolgreiche, tapfere Nichtraucherin war, konnte ich in diesem Moment den Impuls, mich an einer Zigarette festzuhalten nicht mehr unterdrücken und kaufte mir eine Packung Kippen. Ich rauchte zwei, drei, vier, fünf Zigaretten und merkte, wie das Nikotin meinen Körper durchflutete und mich gewohnt einlullte. Ich fühlte mich nun benebelt und stark genug, den Sicherheitscheck hinter mich zu bringen und damit dem Flieger und meinem halben Jahr Alleinsein entgegenzugehen. Vielleicht roch ich am Sicherheitsschalter wie ein wandelnder Aschenbecher, vielleicht kam ich auch ein wenig zu fahrig daher, doch die Beamtin ahnte in mir eine ausgebuffte Drogendealerin, weswegen ich in Berlin-Schönefeld das erste (und auch das einzige!) Mal auf meiner ganzen Reise von oben bis unten, von vorn nach hinten, von außen nach innen und bis in das letzte Fitzelchen meiner Tasche nach suspekten Substanzen und Sprengstoff durchfilzt wurde. Natürlich fanden sie nichts außer die halb geleerte Packung Zigaretten, mein abgeschranztes Feuerzeug und die Schachtel mit den Medikamenten, welche ordnungsgemäß beschriftet, übersetzt und deren Bedarf bis zum letzten Tropfen Novaminsulfan begründet war. Als ich später am Abfluggate saß und keine Zigarette mehr zum Festhalten rauchen konnte, beschlich mich wieder ein sehr durchdringender Zweifel, ob ich das richtige tue. Ein Telefonat mit Anne beruhigte mich: Ich kann doch jederzeit zurückkommen. Und deswegen könnte ich jetzt auch fliegen. Ich ahnte noch nicht, dass ich bald darüber schmunzeln würde, denn schon in wenigen Wochen würde es für mich keine Möglichkeit mehr geben, „so einfach“ umzukehren. Am Gate flackerte die Nachricht auf, dass die WHO dem neuartigen Virus einem Namen verpasst hatte: „Covid-19, Sars-CoV-2“. Davon nahm ich nur halbherzig Notiz, so schlimm und einschneidend würde das Virus schon nicht sein. Der Lautsprecher schallte, es sei Zeit zum Boarding und ich stieg ohne Maske und mit einer Mischung aus Freude, Angst und Übelkeit in den Flieger nach Hà Nội.“ (11. Februar 2020)

„systemrelevant“

Die letzten Wochen war ich einigermaßen hin und her gerissen, wie mein nächster Blogbeitrag aussehen könnte – in allem Grübeln sind nun ein paar Tage verstrichen.

Ich habe überlegt, etwas zum Begriff „systemrelevant“ zu schreiben, denn dieses Wort hat es nunmehr schon zum Unwort meines Jahres gebracht. Da soll es nun um die Aufrechterhaltung eines Systems gehen, einen Fortbestand sichern. Da wird überlegt, was die Basis der Gesellschaft ausmacht, die Grundsäulen der Wirtschaft. Da wird auch diskutiert, welchen Wert welche Branchen haben, da wird eingeteilt und unterteilt, da wird benotet und mit Sternchen versehen, da werden Menschen auf die Auswechselbank geschickt und ein Sitzenbleiben in Kauf genommen, da wird aussortiert und umsortiert, eingekesselt und ausgesperrt. Stempel „systemrelevant“ oder nicht.

Klar bringt es mich ins Nachdenken, wer und was für mich persönlich, für „mein System“ relevant ist; macht es mich traurig, wieviele „andere Systeme“ ganz persönlich an ihre Grenzen kommen und da geht es nicht nur um Geduld, Gesundheit und Geld; frage ich mich, wie lange „das System“ bzw „unsere Systeme“ diesen Zustand noch aushalten, durchstehen. Passende, nachdenklich stimmende Worte hat Marlene Lufen gefunden: https://www.instagram.com/tv/CKtDJhIKcf5/?igshid=pm4tvc30mqlq&fbclid=IwAR3m5wAxT2zfIVaVZ5mk_3rSiDS5o831fmI_mZI1k0WgkNP1F3hmukx3afE

Mitnichten will ich mich aus dem Fenster lehnen und urteilen über das, was bisher war. Ich staune anerkennend über das, was Menschen tagtäglich in dieser Pandemie leisten, nicht nur in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Ich ziehe meinen Hut vor all den Homeschooling-Homeworking Familien. Ich bin froh, in keiner politischen Position zu hocken, denn den Job wöllte ich gerade überhaupt nicht machen. … Merke, wie ich mich manchmal sprachlos und ohnmächtig fühle ob dieser „pandemischen Lage“.

Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass der Beginn des Februar 2021 so aussehen würde, wie er nun daherkommt, hätte ich wahrscheinlich ungläubig den Kopf geschüttelt und mit meinem Gesicht schmunzelnd gerunzelt. Aktuell denke ich immer wieder an „meinen Februar 2020“, die letzten Tage vor meiner Reise, versuche für mein Buch in Worte zu kleiden, wie die Zeit für mich war. Mit einem kleinen Auszug aus meinem Buch, an welchem ich gerade gern und intensiv arbeite, beschließe ich diesen Beitrag. Passt gut auf euch und „eure Systeme“ auf!

„Anfang Januar, die ersten offiziellen Corona-Fälle hatte China der WHO pünktlich zum Jahreswechsel gemeldet, hatte ich eine Zwischenmieterin für meine Wohnung gefunden und viel wichtiger noch auch eine Bleibe für Rumo. Als der erste offizielle Todesfall in Zusammenhang mit Corona gemeldet wurde, bekam ich meine letzte Impfung. Als es den ersten Coronapatienten in Europa gab, feierte ich meinen Abschied mit unzähligen Menschen in der Schaubühne Leipzig. Einen Tag später antwortete mir eine Apothekerin auf meine Nachfrage, ob ich auf meiner Reise eine Maske bräuchte, dass Gelomyrthol gegen Corona völlig ausreichen würde und ich mich so nicht anstecken könnte. Ich kaufte vertrauensvoll zwei Packungen und wie schön wäre es für die ganze Welt, hätte sie Recht behalten. Als der erste Corona-Fall in Deutschland auftrat, übergab ich meine Wohnung an meine Zwischenmieterin Anna. Die letzten Tage vor dem Abflug registrierte ich vor lauter Vorbereitungswust und Aufregung kaum noch.  Als die WHO eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ erklärte, kaufte ich die restlichen Sachen für meine Reise. Einen Tag später deklarierte Italien den Notstand. Immer wieder riefen mich in diesen Tagen besorgte Menschen an, sie hätten die Nachrichten wegen Corona gesehen und sie würden mir doch von meiner geplanten Reise abraten. Von vielen Seiten häuften sich besonders die kritischen Fragen, ob ich DAS tatsächlich JETZT durchziehen wollte, als Frau durchziehen müsste, allein, mit Corona. Mit jedem Anruf wurde ich mir meiner Gründe und der Notwendigkeit, genau jetzt zu fahren, sicherer. Ich hatte keine Chance, denn wenn ich jetzt bleiben würde, wäre ich mit mir selbst komplett verloren. Ich musste los.“

O Tannenbaum!

In den letzten Tagen stapeln sich an verschiedensten Plätzen in Leipzig die ausrangierten Weihnachtsbäume. Nach und nach müssen sie die Wohnungen verlassen. Manche werfen sie galant aus den Fenstern ihrer Wohnungen – da fällt mir ’ne hornalte IKEA-Werbung ein -, andere zersägen das Bäumchen noch im Wohnzimmer und stopfen das Kleinzeugs in die hauseigene Biotonne, andere verbrennen ihn feierlich im Innenhof – trockene, brennende Nadelgehölze machen dieses wundervolle Geräusch 😉

Laut einer Statistik wurden in Deutschland für das Weihnachtsfest 2020 mehr als 30 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Und weil die meisten nicht im Topf sind und damit auch nicht weiterverwertet oder „ausgepflanzt“ werden können, habe ich mich doch gefragt: „Was passiert mit den Bäumchen nach Weihnachten?“

Hübsche Antworten, für alle, die sich diese Frage auch schon gestellt haben, gibt es hier: https://www.warum-magazin.de/wissen/was-passiert-eigentlich-mit-den-vielen-tannenbaeumen oder hier: https://www.vollveggie.de/wissen/ratgeber/zahlen-fakten-weihnachtsbaum/

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen;
wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit
ein Baum von dir mich hoch erfreut.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen.

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
dein Kleid will mir was lehren:
die Hoffnung und Beständigkeit
gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
dein Kleid will mir was lehren.

100 days… 100 objects

Herzlich willkommen im neuen Jahr! Ich freue mich, dass du dich auch 2021 wieder auf meinen Blog geklickt hast und ich hoffe als erstes, dass du gesund und munter ins neue Jahr gestartet bist! Rumo und ich verbrachten die Feiertage und den Lockdown-Jahreswechsel in Leipzig, den größten Teil der Zeit in unserer Höhle. Und ja, es geht uns gut und wir sind so putzmunter, wie man im Lockdown eben sein kann.

Auch im neuen Jahr werde ich den Blog pflegen, ab und an einen Beitrag einstellen, auch wenn ich erstmal nicht mehr in die Welt ziehen, sondern in Leipzig bleiben werde. Ja, vielleicht bin ich deswegen noch ein klein wenig geknickt und doch ist es gut, hier zu sein. Alles hat seine Zeit. 😉

Der Lockdown ist für mich Arbeit am Buch, Arbeitssuche, Spazieren mit Rumo und Müßiggang zugleich. Vorgestern habe ich aus purer Langeweile Netflix bemüht, mich zu unterhalten und stieß auf den Film „100 Dinge“. 2018 kam der in die deutschen Kinos, ich hatte bis jetzt noch nichts von ihm gehört. Der Trailer klang spannend: 100 Tage ohne Besitz und ohne Konsum, zwei Männer starten bei Null und dürfen jeden Tag einen Gegenstand ihres Hab und Gutes wieder an sich nehmen. Freilich habe ich in meinem Hirn schnell überschlagen, was ich als erstes wiederhaben wollen würde, wenn ich komplett nackig in der Welt wäre: ne Hose, nen Pullover, Schuhe und ein Kissen, ach vielleicht auch eine Matratze. Klar wäre: erst anziehen, dann gemütlicher schlafen und dann? Was wären die 100 Dinge, auf die ich nicht verzichten könnte? Smartphone, Rechner, Kaffeemaschine, Wasserkocher, Zahnbürste, Duschgel, Auto, Kalender, Schreibbuch, Bleistifte…? Worauf könntest du auf keinen Fall verzichten?

Und: Wenn alle meine Sachen weg sind, was bleibt dann noch von mir? Auch das fragt der Film. Und: Kaufen, um glücklich zu sein? Ein Zitat geht mir nicht mehr aus dem Kopf und ich möchte es mir ins Herz schreiben: „Glück ist wie Wasser. Wenn du es festhalten willst, dann läufst du mit geballten Fäusten durchs Leben.“

Der Film ist ein humorvoller, tiefsinniger, ergreifender, anfragender, verzückender, bezaubernder und auch trauriger Streifen. Schon lange habe ich nicht mehr einen solch guten, deutschen Film gesehen. Es lohnt sich!

Kurz vor Schluss…

Morgen geht das alte Jahr „krachen“ und wir begrüßen zur Mitternacht das Neue. Im Sinne meines Hundes hoffe ich, dass es wenig krachend und böllernd, eher leise und still ins neue Jahr hineingeht. Der arme Kerl erzittert jedes Mal wie Espenlaub, wenn es aus der Ferne zischt und kracht. Kurz vor Schluss wollte ich noch etwas schreiben, wollte über das Zurückliegende und das Kommende philosophieren, aber hey: ich lass es. Denn es gibt jemanden, der die für mich passendsten Worte zum Jahreswechsel gefunden hat. Zwar für das neue Jahr 2018, doch ich finde, der Text passt für jeden Silvester-Neujahrstag und deswegen habe ich ihn am Ende angepasst. Mit diesem Text wünsche ich euch behütete Tage und ein „Hammer-2021“!

„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Angst essen Seele auf, das können Sie mir glauben. Sie haben nur eine Seele, nehmen Sie Rücksicht darauf, fürchten Sie sich nicht so viel. Trinken Sie mehr klares Wasser. Atmen Sie bewusst, wenigstens ab und zu. Lesen Sie nicht nur Romane über Gerichtsmedizinerinnen und Serienmörder. Lesen Sie ab und zu Weltliteratur, es lohnt sich. Fangen Sie an mit John Steinbeck „Von Mäusen und Menschen“. Interessieren Sie sich mehr für Kunst, es muss ja nicht gleich Beuys sein. Finden Sie heraus, wann der Siebenjährige Krieg stattgefunden hat und merken Sie sich das, Sie werden sich besser fühlen. Versuchen Sie nicht herauszufinden, wer da wann warum gegen wen gekämpft hat.

Verbringen Sie mal einen Tag, ohne auf einen Bildschirm zu blicken. Finden Sie heraus, wer Ihr Bundestagsabgeordneter oder Ihre Bundestagsabgeordnete ist. Googeln Sie ihn oder sie mal ausführlich.

Schenken Sie morgen vormittag den ersten fünf Menschen, denen Sie begegnen, für ein paar Sekunden Ihre volle Aufmerkamkeit. Verstehen Sie das Wunder, dass die mit Ihnen gleichzeitig auf diesem Planeten leben und mit einem Affenzahn durch das Weltall sausen. Und auch gern Pommes mit Mayo essen. Essen Sie jeden Tag einen Apfel. Mögen Sie unser Grundgesetz, es ist besser als sein Ruf, ein fabelhaftes Teil. Lesen Sie mal drin rum, besonders im vorderen Teil.

Sprechen Sie mal mit Ihren Geschwistern darüber, was Ihre Mutter Ihnen in der Kindheit zu essen gekocht hat. Umarmen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin sofort, wenn Sie ihn oder sie das nächste Mal sehen. Wenn er oder sie sich dagegen wehrt, haben sie ein Problem, das gelöst werden muss. Die Lösung liegt bei Ihnen. Fassen Sie mal das Verkehrsschild an, das Ihrer Wohnung am nächsten steht, und stellen sich den Menschen vor, der es dort montiert hat. Nehmen Sie Fußball nicht zu ernst. Bleiben Sie dran an der Weltliteraut: Stefan Zweig, „Schachnovelle“.

Lachen Sie sich mal im Spiegel an. Danach aus. Verbringen Sie noch einen Tag, ohne auf einen Bildschirm zu blicken. Besuchen Sie einmal einen Soldatenfriedhof, es ist nicht weit. Machen Sie regelmäßig Spaziergänge an einem fließenden Gewässer. Seien Sie nicht so oft zornig, Sie sind ja nicht mehr vier Jahre alt. Machen Sie öfter mal mit. Fragen Sie nicht wobei, das wissen Sie doch. Geben Sie sich mal das Klarinettenkonzert von Mozart, das aus „Jenseits von Afrika“, Sie wissen schon. Gehen Sie jetzt richtig los auf die Weltliteratur: Mark Twain, „Huckleberry Finn“, am besten die Ausgabe mit den Illustrationen von Walter Trier.

Glauben Sie nicht alles, wovon Sie überzeugt sind. Folgen Sie nicht jedem Ratschlag. Fragen Sie nicht, was 2020 Ihnen gebracht hat, sondern fragen Sie, was Sie 2020 gebracht haben. Ziehen Sie aus der Antwort Ihre Schlüsse. Na los. Sie schaffen das. Beste Wünsche für ein Hammer-2021, Ihr Mitbürger Michael Ritz

Happy X-Mas!

Bald nun ist es soweit: Weihnachten klopft an unsere Türen. Dank Lockdown sind wir in diesem Jahr vielleicht auch daheim, um aufzumachen, wenn es klopft =).

Weihnachten im Lockdown – das wird ein ganz besonderes Fest. Für manche heißt es, auswählen, wen und wann man besuchen fährt. Für andere heißt es gut atmen und die Tage gutgestalten, weil keiner zu Besuch kommen wird. Wieder andere freuen sich, es sich endlich mal nur im kleinen Kreis gemütlich machen zu können, denn in diesem Jahr braucht es keine gedrungene Ausrede um die Bagage auszuladen. Und bei manchen ist es vielleicht schlicht „wie immer“. Who knows…

Die letzten Tage des Jahres sind für mich – wie wahrscheinlich für viele andere auch – eine Zeit des Rückblicks und der Innenschau. Was für ein besonderes Jahr liegt da hinter uns, was für besondere Zeiten sind es, in denen wir leben, lieben und atmen. Wenn mir im Februar 2020 jemand gesagt hätte, was da so auf mich zukommen wird, hätte ich wahrscheinlich lachend abgewunken und es für „versteckte Kamera“ gehalten. Es waren ver-rückte Monate und in ein paar Tagen wird Weihnachten.

Wenn ich an die Weihnachtsgeschichte denke, dann bleibt mir immer wieder gern das Bild der Hirten auf dem Feld im Kopf. Dunkel muss es sein und „zappenduster“, arschkalt, vielleicht brennt ein kleines Feuer, um die müden Körper zu wärmen, um die Nacht durchzuhalten, um den Schafhungrigen Raubtieren klar zu machen „Hier wacht jemand!“. Da hocken sie und passen auf Schafe auf, die nicht mal ihre eigenen waren. Da hocken sie für ein paar Taler in der Tasche, ungewiss, was diese Nacht für sie bereit hält und ob sie morgen auch noch Arbeit haben. Da hocken die Hirten, erzählen sich vielleicht einen Schwank aus ihren alten Tagen oder einen Schenkelklopfer, um mal zu lachen, oder eine Gruselgeschichte. Da hocken sie auf dem Feld, nur im Schein des kleinen Feuerchens und haben vielleicht auch Angst.

In dieses Bild der Weihnachtsgeschichte kann ich mich sehr gut einfühlen und gedanklich zu ihnen in die Runde setzen. Ich kenne Zeiten, in denen es zappenduster ist und arschkalt, in denen man durchhalten muss aber so manches mal auch nen Schenkelklopfer hören will, damit die Dunkelheit nicht zu lang und zu finster wird.

Und dann passiert den Hirten in der Weihnachtsgeschichte das Unwahrscheinlichste überhaupt: Licht inmitten der dunklen Nacht, eine Lichtgestalt schwebt über ihnen macht himmlischen Rabatz und sagt das, was so gar nicht am Naheliegensten ist in diesem Moment: „Fürchtet euch nicht.“ Echt jetzt? Ich hätte mächtig Schiss bekommen in einer Nacht wie jeder anderen, in der aufeinmal der Himmel zu singen und zu leuchten beginnt. Damit hat doch keiner gerechnet, oder?

Weihnachten heißt für mich „fürchte dich nicht, hab keine Angst“ – alles ist möglich. Und so wünsche ich euch wunderbar-wunderhafte Weihnachtstage, wo auch immer ihr hocken mögt und wie auch immer diese Tage für euch aussehen werden – „Fürchtet euch nicht“.

Geschenke!!!!

Wenn man jemanden besucht, dann bringt man was mit – klar, vielleicht ne Flasche Wein oder einen Kuchen, einen Strauß Blumen zum Geburtstag oder einen feinen Gin, Pralinen oder Schinken. Derer Möglichkeiten gibt es viele. In diesen Weihnachtstagen gibt es meist Plätzchen oder Stollenkonfekt als Besuchermitbringsel oder ein fein eingewickeltes Weihnachtsgeschenk. Für mich ist Schenken in diesen Tagen keine Last, freue ich mich vielmehr über das Lächeln in den Augen des Beschenkten. Doch warum schenken wir überhaupt an Weihnachten? Vielleicht weil es „schon immer so war“, vielleicht ist es auch eine hübsche Geste des „Ich-hab an dich gedacht“, vielleicht sind die Hirten und Könige der Weihnachtsgeschichte“schuld“, weil sie Gold, Weyhrauch und Möhren dabei hatten… Grins, was auch immer es ist, ich wünsche euch Freude am Schenken, wünsche euch Glück im Anblick des Beschenkten und hey, es kommt auch hier, wie so oft im Leben, nicht auf die Größe an, oder? (Das Beitragsbild entspringt übrigens dem wirklich witzigen Buch „Weihnachten mit Loriot“.)

In diesem Jahr bin ich (mal wieder) über ein wunderbares Gedicht gestolpert, mehr eine gereimte Legende, köstlich wortspielend! Ach, und „magenkraft“ meint schlicht „mit Macht“. Viel Freude euch damit!

Die Heiligen Drei Könige (R.M. Rilke)

Einst als am Saum der Wüsten sich
auftat die Hand des Herrn
wie eine Frucht, die sommerlich
verkündet ihren Kern,
da war ein Wunder: Fern
erkannten und begrüßten sich
drei Könige und ein Stern.

Drei Könige von Unterwegs
und der Stern Überall,
die zogen alle (überlegs!)
so rechts ein Rex und links ein Rex
zu einem stillen Stall.

Was brachten die nicht alles mit
zum Stall von Bethlehem!
Weithin erklirrte jeder Schritt,
und der auf einem Rappen ritt,
saß samten und bequem.
Und der zu seiner Rechten ging,
der war ein goldner Mann,
und der zu seiner Linken fing
mit Schwung und Schwing
und Klang und Kling
aus einem runden Silberding,
das wiegend und in Ringen hing,
ganz blau zu rauchen an.
Da lachte der Stern Überall
so seltsam über sie,
und lief voraus und stand am Stall
und sagte zu Marie:

Da bring ich eine Wanderschaft
aus vieler Fremde her.
Drei Könige mit magenkraft,
von Gold und Topas schwer
und dunkel, tumb und heidenhaft, –
erschrick mir nicht zu sehr.
Sie haben alle drei zuhaus
zwölf Töchter, keinen Sohn,
so bitten sie sich deinen aus
als Sonne ihres Himmelblaus
und Trost für ihren Thron.
Doch mußt du nicht gleich glauben: bloß
ein Funkelfürst und Heidenscheich
sei deines Sohnes Los.
Bedenk, der Weg ist groß.
Sie wandern lange, Hirten gleich,
inzwischen fällt ihr reifes Reich
weiß Gott wem in den Schooß.
Und während hier, wie Westwind warm,
der Ochs ihr Ohr umschnaubt,
sind sie vielleicht schon alle arm
und so wie ohne Haupt.
Drum mach mit deinem Lächeln licht
die Wirrnis, die sie sind,
und wende du dein Angesicht
nach Aufgang und dein Kind;
dort liegt in blauen Linien,
was jeder dir verließ:
Smaragda und Rubinien
und die Tale von Türkis.

Freudentanz

Wenn ihr mich jetzt gerade, Freitags kurz nach halb vier, in unserem Verlagsbüro sehen könntet, dann würdet ihr mich ein wenig unkoordiniert wirbelig, vielleicht auch anteilig spannungslos aber breit grinsend durchs Büro hopsen sehen, weil ich einen kleinen Freudentanz vollführe. Der Text meines Buches ist fertig und vor wenigen Minuten ins Lektorat gegangen!!

Das ist prickelnd und unbehaglich zugleich, denn zum wirklich ersten Mal lesen vier Augen den gesammelten Schreibwahnsinn der letzten Wochen, der im besten Fall im Januar zur Druckerei gehen soll – ergänzt um zahlreiche Bilder und Schnappschüsse. Den Text nun aus den Händen zu geben, fühlt sich ein wenig so an, als würde ich mich nackig machen. Und im Prinzip ist es das ja auch: ich stehe zu meinem Wort, halte meinen Kopf für jeden einzelnen Buchstaben hin, mache mich angreifbar und öffne mich selbst auf der anderen Seite. Erst mal nur für zwei Köpfe und wahrscheinlich ab dem neuen Jahr all den anderen Menschen, die das Buch vorbestellt und mir damit ihr Vertrauen geschenkt haben, für einen Text, in das niemand vorab reinblättern konnte. Merci dafür! Dancing part 2!

PS: Jetzt noch am Büro vorbeizukommen ist einigermaßen sinnlos: Tanz vorbei und …. ähm, Lockdown.

Nachträglich zum Dritten Advent

Gestern Abend telefonierte ich mit einer Freundin. An einem Punkt unseres intensiv-schönen Gespräches philosophierte ich so in den Telekommunikationsraum, dass es doch seltsam verrückt sei, wie diese kommenden Tage im Kalender, diese anstehenden Weihnachtstage, dieses festgeschriebene Datum die Menschen und ihre Erwartungen und ihre Wünsche ver-rücken.

Die Antwort meiner Freundin war eine Schöne, von Axel Hacke in Worten Festgehaltene. Es ist ein Auszug aus seinem Buch „Alle Jahre schon wieder“ und der Text hat mich so nachdenklich gestimmt, dass ich ihn euch keineswegs vorenthalten mag:

„Meine Mutter war, an ihren guten Tagen (wie wir alle an unseren guten Tagen anders sind als an unseren schlechten), wenn sie sich sicher und zu Hause fühlte, das fröhliche, warmherzige, herzliche Mädchen. An ihren schlechten, unsicher und nicht zu Hause, war sie zurückhaltend, beobachtend, ängstlich vor der Welt. Es ging ein Riss durch ihr Leben, ein irreparabler Riss. Und ich hatte immer das Gefühl, ihr Leben lang sei sie damit beschäftigt gewesen, diesen Riss zu kitten, zu schließen. Ihn wegzumachen. Immer stand sie unter Hochdruck deswegen, immer ging sie ein wenig zu schnell, selten saß sie still.

Weihnachten denke ich nicht an meinen Vater, Weihnachten denke ich an meine Mutter. Weihnachten war immer das Fest meiner Mutter. Wenn das Christkind geklingelt hatte und wieder verschwunden war, ging sie vor uns die Treppe hinunter, O Tannenbaum singend. Mein Vater stimmte immer für zwei Zeilen kurz ein, laut und falsch. Er wusste, dass er laut und falsch sang, ja, er wollte laut und falsch singen. Er ertrug dieses reine Gefühl nicht, dem wir uns hingaben, wie er eigentlich keinerlei Gefühl ertrug nach sieben Jahren Krieg, nach dem Verlust eines Bruders und eines Auges. Nie wieder ertrug er irgendein größeres Gefühl, er hatte ein für alle Mal genug von größeren Gefühlen. Deshalb sang er laut und falsch, aber er hörte sofort wieder damit auf. Meine Mutter sang ihn nieder, und erfügte sich. Weihnachten konnte es Disharmonien nicht geben, Weihnachten regierte die Sehnsucht: Alles möge gut sein. Weihnachten regierte meine Mutter.

So empfinde ich Weihnachten noch heute: die Menschen unter Hochdruck, alle immer ein wenig zu schnell gehend, selten still sitzend, alle damit beschäftigt, die Risse im Leben zu kitten, zu schließen, wegzumachen, manche erfolgreich, manche geradezu verzweifelt scheiternd, irgendwo in den Notaufnahmen der Krankenhäuser oder der Einsamkeit ihrer Wohnungen.

Weihnachten ist, wenn sich alle gleichzeitig nach einer heilen Welt sehnen, nach dem Kindsein, nach Geborgenheit.“

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