Rumo ist nur selten ein Hundefreund. Das hat er erst heute wieder bewiesen: ein anderer Hund kommt ihm auf der Wiese entgegen. Er ist weiß, er ist fröhlich, er ist sauber, er will spielen. Rumo wedelt ihm entgegen. Das andere „Frauchen“ und ich freuen uns, dass die Begegnung so charmant beginnt. Rumo schnuffelt ein bisschen, der andere hüpft aufgeregt um Rumo rum und dann zack: Angriff. Mein Hund tackelt den anderen um, drückt ihn kläffend in den Matsch und macht unverkennbar klar, dass das Spiel vorbei ist. Ich packe Rumo am Kragen, zerre ihn von einem super vollbesudelten Vierbeiner, der trotz Rumos Machtgehabe immer noch Anstalten macht, eine Runde spielen zu wollen. Die andere Hundebesitzerin und ich atmen fast zeitgleich erleichtert auf, nicken uns zu und gehen weiter – jede in eine andere Richtung. Rumo ist definitiv nur zu ausgewählten Hunden ein Hundefreund. Und ich habe auch nach mehr als zehn Jahren mit ihm nicht kapiert, wonach er Freund und Feind unterscheidet…

Was ich aber weiß: Rumo ist ein Menschenfreund. Auf dem Weg zurück nach Hause läuft er immer angeleint. So auch heute. An einer Stelle überquere ich immer mit ihm die Straße, heute zerrte er mich aber ein paar Schritte weiter. Er hatte eine Kiste entdeckt – riesig, voll beladen mit „zu-Verschenken-Sachen“ und neben der Kiste so ein alter Wäschekorb in Retrocharme. Als wir bei der Kiste anhalten und ich neugierig meine Nase in den Trödelsachen versenke, verschwindet Rumo hinter den Dingen und erst da bemerke ich, dass da eine Frau hockt und weint. Rumo hatte sie lange vor mir registriert, peilt auf ihre Beine zu, leckt ihr über die Jeans und setzt sich neben sie. Ganz still, ganz leise, ganz unaufgeregt, als hätte er sich auf einem rohen Ei niedergelassen. Ich schaue die Frau an, dann meinen Hund, lasse das Ende der Leine los und ihn gewähren. Dann hebt die Frau ihren Kopf, greift Rumo ins Fell, beginnt ihn zu streicheln und erst dann sieht sie mir ins Gesicht. Die Tränen fließen ihr über die Wangen, tropfen zu Boden als sie schluchzend erzählt, dass ich die Sachen gern haben könnte. Ihr Vater bräuchte sie nun nicht mehr und sie müsse allein die Wohnung leer räumen. Ich höre ihr zu, während sich Rumo an ihre Beine schmiegt, sie ihn streichelt und dabei langsam aufhört, zu schluchzen. Sie habe auch mal Hunde gehabt, einen Mischling und einen Dobermann, aber die wären beide nur knapp zehn Jahre alt geworden. Es sei immer wieder schmerzhaft für sie, wenn jemand stirbt, den sie liebt und ich weiß nichts zu sagen, weil sie so Recht hat. Also nicke ich und versuche ihr damit wortlos zu signalisieren, dass ich verstehe. Sie schweigt und gräbt weiter ihre Hände in das weiche Fell meiner Schnuffelnase, der ein Menschenfreund und Tröster ist. Nach einer kleinen Weile verabschieden wir uns, nachdem sie mich gebeten hat, den Zeitungsständer mitzunehmen. Ich tue ihr den Gefallen – er steht jetzt in meiner Küche. Und wird mich an die Begegnung mit ihr erinnern und auch daran, dass mein Hund zwar selten Takt seiner Art gegenüber hat, aber eine gute Nase und ein großes Herz für die Traurigen und Trostsuchenden.